Für viele Menschen ist Arbeitshetze beruflicher Alltag, besonders in Pflegeberufen, im Krankenhaus, in den Sozial- und Erziehungsdiensten und überall dort, wo immer mehr Personal eingespart wird, also auch in Verwaltungen. Zeitdruck ist der am häufigsten auftretende Belastungsfaktor. 56,8 Prozent aller Befragten einer Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit aus den Jahren 2012 bis 2014 gaben an, dass sie sehr häufig oder oft unter Zeitmangel arbeiten. Gefolgt von Unterbrechungen und Störungen des Arbeitsprozesses, wovon 55,7 Beschäftigte betroffen sind. Mit diesen Spitzenplätzen tragen Zeitdruck und Arbeitsunterbrechungen am meisten zum hohen Niveau psychischer Belastungen in der Arbeitswelt bei.

18 belastende Faktoren

Insgesamt wurden 18 belastende Faktoren untersucht. An dritter Stelle steht das Arbeiten in ungünstiger Körperhaltung, 54,4 Prozent sind davon betroffen. Das ist nicht nur auf dem Bau ein häufiges Problem, sondern auch in der Dienstleistungsbranche, beispielsweise in Pflegeberufen, wo Kranke umgebettet werden müssen, aber auch in Kitas, wenn Erzieherinnen stundenlang mit Kindern auf dem Boden hocken. Auf Platz vier der belastenden Faktoren liegen mit 41,4 Prozent Lärm und laute Umgebungsgeräusche. An fünfter Stelle steht der Eindruck der Beschäftigten, in den letzten zwölf Monaten mehr als bisher in der gleichen Zeit schaffen zu müssen. 37, 8 Prozent denken das, so befinden sich beispielsweise Mitarbeiter/innen aus Behörden in dieser Situation, die sich jetzt vermehrt um ankommende Flüchtlinge kümmern müssen.

Was den Einzelnen beansprucht

Die unterschiedlichen Belastungen fordern die körperlichen und psychischen Kräfte jedes Einzelnen. Doch nicht jeder fühlt sich gleich stark davon beansprucht. Deshalb wurde zusätzlich untersucht, wie stark die Beanspruchungen sind. Auch hier nimmt Zeitdruck einen vorderen Platz ein. Zwei von drei Beschäftigten, die am Arbeitsplatz hetzen müssen, fühlen sich stark bis sehr stark beansprucht. Auf den Spitzenplätzen der intensivsten Beanspruchungen stehen auch Faktoren, die bei der Häufigkeit der Belastung nicht auf den vorderen Rängen liegen. So geben nahezu drei Viertel aller Betroffenen, 73,8 Prozent, eine starke Beanspruchung an, wenn sie aufgrund ihres hohen Pensums ihre Arbeit nur in verminderter Qualität ausführen können. Betroffen sind von dieser Situation aber nur 22,8 Prozent.

Ebenfalls sehr hoch ist die Beanspruchungsintensität, wenn Beschäftigte respektlos oder herablassend behandelt werden, sei es durch Kunden, Vorgesetzte oder Kollegen. 72,2 Prozent fühlen sich in dieser Situation stark belastet. Das kommt zwar weniger häufig vor, nur 9,7 Prozent der Befragten betrifft das, doch wenn es passiert, ist es stark belastend. "Deshalb sollten Analysen von Arbeits-bedingungen nicht nur die zunehmende Arbeitsverdichtung und Arbeitshetze betrachten, sondern auch Faktoren, die weniger häufig auftreten, aber dann fast immer stark beanspruchen", sagt Astrid Schmidt, die bei ver.di für Gute Arbeit zuständig ist.

Was alle stresst

Blickt man auf die Gesamtzahl aller Befragten, nimmt der Zeitdruck als belastende Beanspruchung wieder seinen negativen Spitzenplatz ein. Jeder Dritte ist dadurch stark belastet, 36,7 Prozent. Im Branchenvergleich sind Dienstleistungsberufe vom Zeitdruck am meisten geplagt. Den Spitzenplatz hat das Gesundheits- und Sozialwesen mit 47 Prozent, dicht gefolgt von Erziehung und Unterricht mit 45 Prozent. Öffentliche Verwaltungen liegen mit 36 Prozent auf Platz vier. "Ein Grund für den Zeitmangel ist die zunehmende Steuerung über Wirtschaftskennzahlen und Zielvorgaben, statt den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Als Folge nehmen die psychischen Erkrankungen seit Jahren zu", sagt Astrid Schmidt. Marion Lühring