Gabriele Gröschl-Bahr ist im ver.di-Bundesvorstand für den Fachbereich Sozialversicherungen zuständig

ver.di publik - Die Barmer GEK und die Deutsche BKK haben im November beschlossen, am 1. Januar 2017 zu fusionieren. Beide haben gerade Fusionen hinter sich. Warum folgt nun schon der nächste Zusammenschluss?

Gabriele Gröschl-Bahr - Man könnte sagen: Fusionen liegen bei den Krankenkassen im Trend, allerdings zwangsweise ausgelöst. Vor zehn Jahren gab es noch rund 1.200, heute sind es gerade noch 123. Und weitere sind angekündigt - aber nicht, weil es das politische Ziel wäre, weniger Kassen zu haben, sondern aus finanziellen Gründen. Die gesetzlichen Belastungen einerseits und die Zuwendungen andererseits stimmen nicht mehr. Gerade kleine Kassen können sich nicht mehr halten. Schon ein einziges "teures" Mitglied kann eine kleine Versicherung überfordern, etwa ein Bluter, der ständig sehr teure Medikamente braucht. Eine große Anzahl chronisch Kranker und/oder an Krebspatienten kann nur noch von großen Kassen verkraftet werden. Also entscheiden sich die meisten, besser zu fusionieren.

ver.di publik - Wie ist die Situation bei Barmer und BKK? Schluckt hier der Riese den Zwerg?

Gröschl-Bahr - Es stimmt zwar, die Barmer hat 15.000 Beschäftigte, die Deutsche BKK nur 2.000, aber das Problem liegt woanders. Beide haben eine sehr spannende Vorgeschichte, die bis in die Gegenwart reicht: Vor relativ kurzer Zeit, erst Anfang 2014, hat die Barmer erklärt, bundesweit 3.500 Stellen abzubauen und 400 Filialen zu schließen. Das Programm heißt interessanterweise "Aufbruch". So heißt nun auch der Tarifvertrag, den wir dazu durchgesetzt haben. Er schließt betriebsbedingte Kündigungen aus. Aber der Prozess läuft noch; 1.000 der 3.500 Stellen werden bis Weihnachten gestrichen sein, dann geht es weiter. Bei der Deutschen BKK ist die letzte Fusion - mit der BKK Essanelle - noch gar nicht abgeschlossen. Wir sind auch noch mittendrin, einen neuen Tarifvertrag für die neue Deutsche BKK zu schaffen.

ver.di publik - Wie ist die Stimmung unter den Beschäftigten?

Gröschl-Bahr - Die Ankündigung der neuen Fusion kam für sie völlig überraschend. Die Personalräte waren geschockt. "Das kann doch nicht wahr sein", hieß es immer wieder. Die meisten Beschäftigten sind mit ihrem Unternehmen sehr verbunden, es ist ihre Kasse, so empfinden sie es. Da machen sich viele jetzt Sorgen um ihren Arbeitsplatz, den Arbeitsort, aber auch um die künftigen Arbeitsbedingungen, um die interne Kultur, die sich in den verschiedenen Kassen sehr unterscheidet, und um die Situation in ihrer Filiale, wenn es die denn überhaupt noch geben wird. Die Barmer GEK hat zurzeit noch zwei Hauptverwaltungen, jetzt kommen drei von der Deutschen BKK dazu. Die große neue Kasse braucht aber keine fünf, das ist allen klar. Die Beschäftigten wissen: Mein Haus wird sich verändern. Deshalb ist die Verunsicherung in beiden Unternehmen groß, die Enttäuschung ebenso. Es sind auch Ärger und Wut zu spüren.

ver.di publik - Was tut ver.di jetzt?

Gröschl-Bahr - Wir wollen einen Fusionstarifvertrag abschließen, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, die Gehälter garantiert und die betrieblichen Interessenvertretungen sichert, die Personalräte, die Vertretungen für die Frauen, die Jugend, die Schwerbehinderten. Und mit all dem eilt es, denn die Fusionsverhandlungen sollen bis März oder April nächsten Jahres abgeschlossen sein. Es wird nicht einfach für uns. Die Gehälter sind bei den beiden Kassen für die gleiche Arbeit unterschiedlich hoch, die Arbeitszeit beträgt bei der BKK 37 Stunden, bei der Barmer GEK 38,5. Es ist eine Herausforderung: Wir werden einen einheitlichen Tarifvertrag für die Zukunft verhandeln, doch wie wird er aussehen? Bei beiden Unternehmen sind jetzt schon 40 bis 50 Prozent der Beschäftigten ver.di-Mitglieder, es werden in dieser Situation hoffentlich noch mehr. Die Verunsicherung sollte in den Gedanken münden: "Ich kümmere mich jetzt. Ich will meine Perspektive sichern." ver.di kann nur sagen: Gebt uns den Auftrag, für und mit euch zu verhandeln!

Interview: Claudia von Zglinicki

"Wir wollen einen Fusionstarifvertrag abschließen, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, die Gehälter garantiert und die betrieblichen Interessenvertretungen sichert"