Aytekin Erayabakan hatte sich die Sache mit der Betriebsratswahl gut überlegt. Die Arbeitsbedingungen im Logistikzentrum des Discounters Lidl in Graben bei Augsburg wollte er nicht länger hinnehmen. Rund 30 verschiedene Anfangszeiten für die Schichten, kurzfristige Einsatzmitteilungen per SMS oder Telefon, Schikanen durch Vorgesetzte - nach fünf Jahren hatte der Disponent am Warenausgang die Nase voll. Ein Betriebsrat musste her. Also nahm er Kontakt zu ver.di auf.

Mit Widerstand des Arbeitgebers hatte der 41-Jährige gerechnet. "Ich hatte mir diesen Schritt gut überlegt und auch mit meiner Familie vorher abgesprochen", sagt Erayabakan. Bei der Wahl im Sommer kam es zu ersten Einschüchterungsversuchen von Kollegen durch die Geschäftsführung. Anfang September erhielt der gelernte Speditionskaufmann dann seine Kündigung. Der Vorwurf: Er habe seinen Chef und einen weiteren Kollegen beschimpft. "Das hat mich nicht umgehauen", sagt Erayabakan, "die Behauptungen sind haltlos, die Geschäftsführung hat halt eine Story daraus gemacht." Geklärt werden soll der Kündigungsversuch jetzt vor dem Arbeitsgericht Augsburg, denn der Betriebsrat hat der Entlassung seines Mitglieds nicht zugestimmt. Für April ist ein Kammertermin angesetzt.

Kurz vor Weihnachten hat Lidl erneut versucht, dem Kollegen zu kündigen. Doch der Fragenkatalog des Betriebsrats an die Geschäftsführung, die konkret benennen sollte, wann und wem gegenüber welche Äußerungen gemacht wurden, blieb bislang unbeantwortet. "Ich arbeite immer noch bei Lidl", sagt Erayabakan. Allerdings hat man dem Alleinernährer einer jungen Familie eine andere Schicht zugewiesen, so entgehen ihm im Monat rund 500 Euro an Nachtzuschlägen.

Postkartenaktion für den Betriebsrat

ver.di-Sekretär Thomas Gürlebeck vermutet, dass mit der versuchten Kündigung des Betriebsratsmitglieds das gesamte Gremium eingeschüchtert werden soll.

Jetzt hat der ver.di-Bezirk eine Postkartenaktion gestartet, um den Druck auf das Unternehmen zu erhöhen. Postkarten können per E-Mail angefordert werden: fb12.augsburg@verdi.de.

Aytekin Erayabakan gibt sich unbeeindruckt. Er weiß, dass der größte Teil der Belegschaft hinter ihm steht. Die Kolleg/innen seien froh, dass er ver.di in den Betrieb geholt habe. Schließlich hat der Betriebsrat in seiner noch kurzen Amtszeit durchsetzen können, dass es nur noch wenige unterschiedliche Schichtzeiten gibt, die Arbeit ist zumindest für die Woche im Voraus planbar geworden.

hla