Nach Streiks am Standort Graben wechselt der Discounter mit seinen Lagern vom Logistik- in den Einzelhandelstarifvertrag

Einen außergewöhnlichen Erfolg konnten die rund 130 Beschäftigten des Lidl-Lagers in Graben bei Augsburg im Juli erkämpfen: Der in der Vergangenheit als nicht gerade arbeitnehmerfreundlich bekannte Arbeitgeber gab nach insgesamt fünf Streiktagen nach und sagte zu, künftig den Einzelhandels- und nicht länger den Logistiktarifvertrag anzuwenden - und zwar nicht nur in Graben, sondern in allen Lagerlogistikzentren bundesweit.

"Wir haben in Graben einen sehr aktiven Betriebsrat und eine Belegschaft, die in der großen Mehrheit bereit ist, für ihre berechtigten Forderungen auf die Straße zu gehen", sagt Thomas Gürlebeck vom ver.di-Bezirk Augsburg. Und so hätten die insgesamt fünf Solidaritätsstreiktage seit Februar gereicht, um Lidl zum Einlenken zu bewegen.

Im Februar hatte ver.di die Geschäftsführung am Standort Graben zum Wechsel in den Einzelhandelstarifvertrag aufgefordert.

Für die Beschäftigten bedeutet der Übergang vom Logistik- in den Einzelhandelstarifvertrag konkret, dass sie in Zukunft bis zu 30 Prozent mehr Geld bekommen werden. Vom Tarifwechsel profitieren bundesweit rund 3.300 der insgesamt mehr als 78.000 Beschäftigten beim Discounter Lidl.

Aber wann?

Wann es allerdings genau so weit sein wird, das ist bisher noch ungewiss. Tatsächlich verweigert die Geschäftsführung von Lidl in Graben derzeit Verhandlungen mit ver.di. "Wir haben nun drei Termine vorgeschlagen, bei denen unter anderem die künftige Eingruppierung der Beschäftigten geregelt werden soll", sagt Thomas Gürlebeck. "Falls der Arbeitgeber weiterhin mauert, müssen wir vermutlich doch noch etwas deutlicher werden."

Auch der Zeitpunkt für die Überleitung der übrigen Lagerlogistikzentren in die Tarifverträge des Einzelhandels ist im Moment noch offen.

Dabei hatte die Geschäftsleitung von Lidl Deutschland Ende Juli in einer Mitteilung betont, die Entscheidung zum Tarifwechsel sei ein "klares Bekenntnis zum Flächentarifvertrag Einzelhandel sowie zur Ta- rifbindung". Mit dem Übergang vom Logistik- in den Einzelhandelstarifvertrag würden im Unternehmen einheitliche Standards für alle Beschäftigten in Filialen wie auch an den regionalen Lagerlogistikstandorten hergestellt, unterstrich der Vorsitzende der Geschäftsleitung, Marin Dokozic in der Erklärung.

Abgrenzung von Amazon

Laut lebensmittelzeitung online grenzt sich Lidl mit diesem Schritt einmal mehr deutlich vom Online-Handelsunternehmen Amazon ab, das seinen Beschäftigten seit 2013 die Anwendung der Tarifverträge des Einzel- und Versandhandels verwehrt. Lidl-Chef Klaus Gehrig gehört mittlerweile außerdem zu den Arbeitgebern im Handel, die sich für die Allgemeinverbindlichkeit der Einzelhandelstarifverträge einsetzen - auch damit grenzt er sich klar von Online-Händlern wie Amazon ab.

Für die rund 130 Beschäftigten in Graben schmälert dieser Strategiewechsel an der Lidl-Spitze jedoch nicht den eigenen Erfolg. Ihre im Februar begonnenen Aktionen waren die Initialzündung für den späteren Durchbruch. "Der Tarifwechsel und die damit verbundene deutliche Entgeltsteigerung bedeutet auch einen großen Schritt auf dem Weg gegen die Altersarmut unserer Kolleginnen und Kollegen im Lidl-Lager", stellt Thomas Gürlebeck fest. Die Entschlossenheit der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten sei Grundlage für den späteren Erfolg in den Verhandlungen gewesen.

Hubert Thiermeyer, der Leiter des Fachbereichs Handel im ver.di-Landesbezirk Bayern, sagte Ende Juli: "Eines ist wieder einmal deutlich geworden: Nur dort, wo Beschäftigte mehrheitlich in ver.di dabei sind, kann man solche Erfolge produzieren."