Kofferchaos war eines der Worte dieses Sommers. Egal ob in Berlin, Bremen, Düsseldorf oder an anderen Flughäfen in der Bundesrepublik, vielerorts dauerte für Flugreisende das Warten am Gepäckband länger als der Flug.

Für Katharina Wesenick von der Fachgruppe Luftverkehr beim ver.di-Bundesvorstand ist das Kofferchaos selbstgemacht und war lange im Voraus absehbar. Denn es ist eine Folge der Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste durch die EU in den 1990er Jahren.

Arbeit nicht unter solchen Bedingungen

Die Liberalisierung hat für die Beschäftigten zu prekärer Arbeit geführt. Niedrige Löhne, Befristungen, unfreiwillige Teilzeit - für die Anbieter wird es immer schwerer, ausreichend Beschäftigte zu finden, die den für die Arbeit in einem sicherheitsrelevanten Bereich nötigen guten Leumund haben und die der körperlich belastenden Arbeit gewachsen sind.

Die hohen körperlichen Belastungen führen zu einem hohen Krankenstand. Und alles zusammengenommen trägt dazu bei, dass zur besten Reisezeit - wie in diesem Sommer - die Beschäftigten fehlen, die die Flugzeuge entladen und dafür sorgen, dass das Gepäck schnell aus dem Frachtraum zu den Gepäckbändern kommt.

Am Berliner Flughafen Tegel hatte die Fluggesellschaft Air Berlin Anfang des Jahres den Anbieter für Bodenverkehrsdienstleistungen gewechselt, um noch etwas mehr Geld sparen zu können. Der neue Anbieter verfügte jedoch nicht über ausreichend Personal. Das Nachsehen hatten die Flugpassagiere.

Am Flughafen Frankfurt am Main wurden die Bodenverkehrsdienste neu ausgeschrieben. Den Zuschlag bekam ein nicht tarifgebundener Anbieter, das Unternehmen Wisag. Den 1.300 Beschäftigten des bisherigen Anbieters ACC droht der Jobverlust. Sie fürchten bei einem Wechsel zum neuen Anbieter noch schlechtere Arbeitsbedingungen. Die Betreibergesellschaft des Flughafens, die Fraport AG, ist mehrheitlich in staatlichem Eigentum.

In Hamburg haben Beschäftigte der Flughafentochter Ground Stars einen offenen Brief an den Ersten Bürgermeister der Stadt, Olaf Scholz, SPD, geschrieben. Darin verwahren sie sich gegen den Vorwurf, sie seien Schuld an dem Kofferchaos. Sie fordern Olaf Scholz als Vertreter des Mehrheitseigners auf, für attraktivere Arbeitsbedingungen zu sorgen und mehr Personal einzustellen. Hinzu kommt: Bundesweit nehmen die Überlastungsanzeigen von Bodenverkehrsbeschäftigten derzeit zu.

Für einen Branchentarifvertrag

"Zu den aktuellen Bedingungen sind immer weniger Beschäftigte bereit, ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen", sagt Katharina Wesenick. Daher kämpft ver.di für einen bundesweit geltenden Branchentarifvertrag. Die Bundestarifkommission hat Ende August einem Positionspapier zugestimmt. Anfang November tagt der Gruppenausschuss Flughäfen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). ver.di fordert sie auf, sofort in entsprechende Verhandlungen einzutreten.

hla

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