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Beim Protest der Musikschullehrer*innen Mitte April in NRW dürfen die Instrumente nicht fehlenFoto: Bernd Arnold

"Wenn das Kulturgesetzbuch raus ist, können wir auch unsere 20 Prozent Honorarkräfte fest anstellen", hofft Miriam Köpke, Leiterin der Musikschule des Kreises Gütersloh am Rande einer ver.di-Kundgebung vor dem Düsseldorfer Landtag. Sie hat selbst erlebt, wie es ist, freiberuflich zu arbeiten. Mit Mitte 20 fand sie es toll, "die Rampensau und Pädagogin in mir auszuleben": Vormittags Kindermusical, nachmittags an der Uni Gesang unterrichten, abends Auftritte als Sängerin. Doch bald wurden ihr die Nachteile des freien Schaffens bewusst: berufliche Unsicherheiten, sich auch als arrivierte Künstlerin ständig neu beweisen zu müssen. Sie sehnte sich nach einem "festen Nest". Das habe sie 2012 an der Musikschule Münster und später als Musikschul-Leiterin in Gütersloh gefunden, wo sie ihre vielen Erfahrungen und Talente als Sängerin, Pädagogin und Organisatorin einbringen konnte.

Miriam Köpke ist es wichtig, sich für prekär beschäftigte Honorarkräfte zu engagieren, eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Musikschule zu verhindern – auch aus Arbeitgeberinnensicht: "Wenn alle gleich bezahlt werden, kann ich auch alle gleich einsetzen", etwa für Zusammenhangstätigkeiten wie Wettbewerbe oder Konzerte. "Mein Wunsch wäre 100 Prozent Festanstellung", sagte sie Mitte April in einer von der ver.di-Fachgruppe Musik ausgerichteten Online-Diskussion zum neuen Kulturgesetzbuch in Nordrhein-Westfalen. Mit dem Kulturgesetzbuch, sollen – analog zum Sozialgesetzbuch – alle Gesetze zu Kunst und Kultur zusammengefasst werden. Der Regierungsentwurf wird ab Mai im Landtag diskutiert.

In derselben Diskussionsrunde erklärte Klaus Kaiser, Staatssekretär im NRW-Kulturministerium, bei notwendigen Einsparungen "kann Kultur nicht der Steinbruch sein". Finanzschwache Kommunen hätten die erste Million aus der Landes-Musikschuloffensive 2019 zur Reduzierung ihres Anteils an den Kulturausgaben genutzt. Das solle im Kulturgesetzbuch durch die Absicherung von Mindeststandards verhindert werden, indem die Landesförderung an Kriterien wie Festanstellung der Mitarbeitenden geknüpft wird.

Eine Frage der politischen Priorität

Insgesamt stellt das Land 10 Millionen Euro zur Verfügung, doch um allen Honorarbeschäftigten eine Festanstellung anzubieten, werden 27 Millionen Euro benötigt. Oliver Keymis von den Grünen forderte deshalb eine andere Verteilung und stärkere Verpflichtung des Landes. Der Kulturetat müsse verdoppelt werden, um "das mutige Gesetz in die Praxis umzusetzen". Ein weiteres Problem ist, dass Kultur als "freiwillige Leistung" gilt und viele Kommunen an Ruhr und Rhein stark verschuldet sind. Mit politischem Willen und öffentlichem Druck ist es dennoch möglich, prekäre Beschäftigungsverhältnisse abzuschaffen. In Leverkusen, das auch finanziell gebeutelt ist, beschloss der Stadtrat im März dieses Jahres nach jahrelangen Protesten, die 40 Honorarstellen an der Musikschule in Festanstellungen umzuwandeln.

Laura Oetzel, freiberufliche Harfenistin und Honorarkraft an der Musikschule Sankt Augustin, meint, faire Bezahlung sei vor allem eine "Frage der politischen Priorität". Obwohl die Stadt auch in der Haushaltssicherung ist, gelang es den freien Musikpädagog*innen im März 2020, eine Honorarerhöhung von 18 Prozent durchzusetzen. Während des ersten Lockdowns wurden die Honorarkräfte in Sankt Augustin weiterbezahlt, obwohl die Stadt nicht dazu verpflichtet wäre. Oetzel sagt, das habe sie alle vor Hartz IV bewahrt. Aber Honorarkräfte würden nicht nur mies bezahlt, sondern seien sozial auch schlechter abgesichert und hätten kaum Aufstiegschancen. Als sich Oetzel in der Musikschule einen Knöchel verstauchte, bedeutete das für sie Verdienstausfall, als Festangestellte hätte sie weiter Gehalt bekommen. Zudem haben Honorarkräfte kaum eine Chance, an einer vom Verband deutscher Musikschulen angebotenen Ausbildung für Leitungspositionen teilzunehmen. Dabei sind sie zumeist hoch qualifiziert – mit mehreren akademischen Abschlüssen und zusätzlichen Fortbildungen.

"Musiker*innen neigen extrem zur Selbstausbeutung und das wird ausgenutzt", sagt Oetzel. Trotzdem würde sie wieder den gleichen Berufsweg wählen. Sie mache "beides leidenschaftlich gern: Harfe spielen und unterrichten!"