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Das Skelett lacht, aber die Beschäftigten im Handel sind blankFoto: Tim Würz/dpa

Gestreikt wird seit Monaten landauf, landab. Tausende Beschäftigte haben vor Edeka-Lagern, in Fußgängerzonen in der Nähe von H&M-, Zara- und Primark-Filialen, vor Ikea- und Kaufland-Häusern ihre Forderungen lautstark kundgetan. So auch in Nordrhein-Westfalen: 2,50 Euro mehr Stundenlohn, Erhöhungen der Ausbildungsvergütungen um 250 Euro monatlich, Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge und eine auf ein Jahr begrenzte Laufzeit. Doch von Seiten der Handelsunternehmen kommt bisher zu wenig, um die hohe Inflationsrate auch nur annähernd auszugleichen.

Am 7. August ging die mittlerweile fünfte Verhandlungsrunde für die 517.000 sozialversicherungspflichtigen und 197.000 geringfügig Beschäftigten im nordrhein-westfälischen Einzelhandel ohne Ergebnis zu Ende. "Es ist ein Skandal, wie die Arbeitgeber mit ihren Beschäftigten umgehen", erklärte Silke Zimmer, Verhandlungsführerin in der dortigen Tarifrunde und Fachbereichsleiterin Handel im ver.di-Landesbezirk NRW. Sie setzten Geld ein, "um Beschäftigte vom Streiken abzuhalten", und es würden "Zeitprämien an diejenigen verteilt, die sich nicht an Streikmaßnahmen beteiligen". In den Verhandlungen hätten die Arbeitgeber dann nur Reallohnverluste zu bieten.

„Mit jedem Monat, der verstreicht, können sich die Beschäftigten weniger von ihrem Einkommen leisten.“
Silke Zimmer, Fachbereichsleiterin Handel im ver.di-Landesbezirk NRW

In NRW sind die Tarifverträge im Einzelhandel bereits seit Ende April gekündigt. Die Hängepartie sei fatal, betont Silke Zimmer: "Mit jedem Monat, der verstreicht, können sich die Beschäftigten weniger von ihrem Einkommen leisten." Die Preissteigerungen, gerade für Lebensmittel, machten keine Pause. Und da im Einzelhandel überwiegend Frauen, oft in Teilzeit arbeiteten, seien gerade sie existentiell von der geringen Entlohnung betroffen. Angst vor Altersarmut sei kein vages Gefühl, sondern bedeute für diese Menschen die bittere Realität. In NRW stehen nun weitere Streiks an. Und nicht allein dort.

Am 4. August hatten Unternehmens- und ver.di-Vertreter*innen im Tarifbezirk Niedersachsen-Bremen in Runde 4 zusammengesessen. Dort gab es kein neues Angebot der Arbeitgeberseite, dafür die Ansage, dass mit ihnen keine Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge zu machen sei und es auch keinen Abschluss unterhalb einer Laufzeit von 24 Monaten geben werde. In all dem zeige sich "eine fehlende Wertschätzung gegenüber den eigenen Beschäftigten", so Sabine Gatz, Landesfachbereichsleiterin und Verhandlungsführerin für ver.di in der Region. "Der Verhandlungsunwille, welcher uns vorgeworfen wird, offenbart sich in der Verhandlungsstrategie der Arbeitgeber*innen: Ein Spiel auf Zeit." Klar sei, dass es ohne weitere Arbeitskämpfe keinen akzeptablen Abschluss geben werde, sagt Gatz.

Zu einem landesweiten Streiktag hatten Anfang August beide Teilbranchen im Handel in Bayern mobilisiert. Viele Beschäftigte aus den nordbayerischen Edeka-Zentrallagern beteiligten sich. Aber auch Kolleg*innen von Lidl, Penny, Rewe, H&M, Ikea, Kaufland und anderen Unternehmen waren dabei. Gerade die Arbeitskämpfe an den Lagerstandorten haben Effekte bis in die Supermärkte hinein, wo es wahrnehmbare Lücken gab und gibt. "Die Streikaktionen zeigen mittlerweile massive Wirkung bei den Arbeitgebern, trotzdem wollen die Arbeitgeberverbände den Beschäftigten weitere Reallohnverluste zumuten", erklärte Thomas Gürlebeck, der für ver.di die Tarifverhandlungen im bayerischen Groß- und Außenhandel leitet.

Unterdessen haben einzelne Unternehmen vermeintlich "freiwillig" die Entgelte ihrer Beschäftigten erhöht. Die Edeka-Regionalgesellschaft Minden-Hannover hat zum 1. August die Entgelte um 5 Prozent heraufgesetzt. Mit solchen Aktionen soll die Streikbereitschaft geschwächt werden. Zudem: Bei einem Abschluss in den Verhandlungen der Flächentarifverträge würden die Vorweganhebungen angerechnet.

Gudrun Giese