Im Handel arbeiten ist anstrengend und wird nicht sonderlich gut bezahlt. Respektlose Kund*innen geben vielen Beschäftigten den Rest. Wie wichtig die Umgangsformen in Geschäften unterschiedlicher Art sind, haben Wissenschaftler*innen der Sozialforschungsstelle an der Technischen Universität Dortmund im Rahmen des Projektes "RespectWork" festgestellt.

Die Einzelhandelsbeschäftigten, mit denen gesprochen wurde, arbeiteten zum Zeitpunkt der Interviews in einer Warenhausfiliale, drei Baumärkten, einem Lebensmittelgeschäft und einem Fahrradladen. "Die meisten Gespräche mit der Kundschaft verlaufen reibungslos", sagt Edelgard Kutzner, Leiterin des Forschungsprojekts. Doch Beschäftigte berichteten von unhöflichem und rücksichtslosem Verhalten, aber auch über Beschimpfungen und Beleidigungen. Für die Mitarbeiter*innen sei das sehr belastend. Allerdings haben auch die Kunden nichts vom Geschimpfe, denn, so stellt die Wissenschaftlerin fest: "Ein Verkaufsgespräch kann nur gelingen, wenn auch sie sich angemessen verhalten."

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Während mancher Vorgesetzte den Beschäftigten rät, sich "ein dickes Fell" anzuschaffen, haben die Forscher*innen bei der Auswertung der Interviews die Wünsche der Verkaufsmitarbeiter*innen in den Mittelpunkt gestellt. Es erwies sich, dass Beschäftigte im Einzelhandel schlicht und ergreifend als Menschen beachtet werden wollen. "Grüßen ist etwa ein Zeichen für ein Minimum an Respekt", hätten viele der Befragten geäußert, so Edelgard Kutzner. Wenn hingegen auf den eigenen freundlichen Gruß zum Kunden im Baumarkt als Erwiderung die Einwort-Frage "Schrauben?" folge, fühle sich das Gegenüber komplett als Mensch missachtet.

Ebenso wünscht sich das Personal Verständnis für bestimmte Situationen im Arbeitsalltag. "Wenn jemand neu an der Kasse ist, kennt er oder sie noch nicht alle Wiegenummern für Obst und Gemüse. Und dann muss die Kassiererin eben nachschauen, wie die entsprechende Produktnummer lautet", haben Beschäftigte den Wissenschaftler*innen berichtet. Murrende Kund*innen oder solche, die sich gleich beschweren wollen, möchte in der Situation niemand an der Kasse haben.

Gar nicht gut kommen bei Verkäufer*innen Versuche von Kund*innen an, sie hinters Licht zu führen – etwa indem sie versuchen, gebrauchte Produkte umzutauschen oder von ihnen selbst beschädigte Waren zu reklamieren. "Der Kunde denkt wohl, mit uns kann man's ja machen", habe eine Verkäuferin im Interview frustriert geäußert. Da die Beschäftigten von der Geschäftsleitung aber angewiesen würden, ihren Ärger zu verbergen und nachzugeben, müssten sie sich individuell mit diesem moralischen Problem herumschlagen.

Einfach mal Danke sagen

Wertschätzung gehört zu den wichtigen Ereignissen im Alltag, über die sich jede*r freut, selbst aber eher selten gegenüber anderen äußert. Verkaufspersonal reagiert positiv auf ein "Danke sehr!" für ein gutes Beratungsgespräch. Entwürdigend sei es hingegen, wenn sie "von oben herab" behandelt würden, als seien die Kund*innen etwas Besseres, haben Beschäftigte erzählt.

„Der Kunde denkt wohl, mit uns kann man's ja machen.“ Verkäuferin aus Dortmund

Das Schlimmste sei offene Geringschätzung, über die manche Kassiererin berichten konnte: So hätten sie mitanhören müssen, wie Eltern ihre Kinder ermahnten, gut in der Schule aufzupassen, um nicht in der Zukunft als Kassenkraft arbeiten zu müssen. Edelgard Kutzner sagt: "Dass im Einzelhandel gut ausgebildete Menschen arbeiten, scheint vielen überhaupt nicht klar zu sein." Die Wissenschaftlerin sieht hier auch Vorgesetzte in der Pflicht, ihrem Personal zur Seite zu stehen.

Im Projekt wurden verschiedene konkrete Ansatzpunkte für einen respektvollen Umgang zusammen mit den Beschäftigten entwickelt. Berücksichtigt wurde dabei die gesamte Situation, unter anderem im Verkauf und an der Kasse, außerdem die Gestaltung des Ladenraums, organisatorische Strukturen, Führungsverhalten und eingesetzte technische Hilfsmittel wie Selbstbedienungskassen.

Das Projekt RespectWork wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds gefördert.

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