An der "Umfrage Gute Arbeit in der Ver- und Entsorgung" (UGAVE) vom ver.di-Bereich Innovation und Gute Arbeit im vergangenen Jahr haben sich außergewöhnlich viele Beschäftigte beteiligt – mit entsprechend aussagekräftigen Ergebnissen. Rechtzeitig zum 6. ver.di-Bundeskongress konnte die Broschüre mit den wichtigsten Resultaten vorgestellt werden.

"Neu war, dass haupt- und ehrenamtliche ver.di-Kolleg*innen mit der Befragung die Beschäftigten dieser Branche breit aktivieren konnten", sagt Clivia Conrad, die im Bereich Ver- und Entsorgung Tarifkoordinatorin für den öffentlichen Dienst ist. "Im Ergebnis haben wir auf Branchen- wie auf Betriebsebene viele wertvolle Daten erhalten, die es möglich machen, die Arbeitsbedingungen systematisch zu analysieren." Die Ergebnisse sollen für anstehende Tarifverhandlungen ebenso eingesetzt werden wie in den Betrieben, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Große Unzufriedenheit

Der Betriebsrat der Stadtwerke Wolfenbüttel hat die Gute-Arbeit-Befragung dafür früh genutzt. Das begann damit, dass der Betriebsrat die Umfrage mit einer Gefährdungsbeurteilung zu psychischen Belastungen verknüpfte (siehe ver.di publik 7_22), und setzte sich bald nach Vorlage der Ergebnisse mit der Vorbereitung konkreter Schritte fort. "Bei uns war die Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen, der Eingruppierung, Entlohnung und dem Führungsverhalten sehr hoch", sagt der Betriebsratsvorsitzende Timo Polk. An der Befragung hatten sich mehr als 70 Prozent der 135-köpfigen Belegschaft beteiligt, die Geschäftsleitung nahm die Ergebnisse deshalb ernst.

Gleich im Herbst noch im vergangenen Jahr startete die innerbetriebliche Auswertung. Begleitet vom "Forschungsteam Internationaler Arbeitsmarkt" (FIA), das die Branchenbefragung und Gefährdungsbeurteilung wissenschaftlich begleitet hatte, fanden erste Workshops statt. In ihnen erarbeiteten Kolleg*innen Vorschläge für Veränderungen im Betrieb. Konkrete Maßnahmen konnten daraus zunächst nicht abgeleitet werden, sagt Timo Polk. Das passierte erst, nachdem der Betriebsrat angeregt hatte, mehr Workshops – ausschließlich intern mit jeweils etwa zehn Beschäftigten, begleitet von zwei Moderator*innen – zu machen.

So kam ein ganzer Katalog an Vorschlägen zusammen. "Vieles betraf das Thema Belastung am Arbeitsplatz", sagt der Betriebsratsvorsitzende. "Die Kolleg*innen in den Durchgangsbüros fühlten sich sehr gestört von den häufig dort Hindurchgehenden." Die Lösung: Die Passage durch diese Büros wurde auf das Allernötigste beschränkt, die meisten Beschäftigten nutzen jetzt den etwas weiteren Alternativweg.

Auch für das nervende Klingeln der Telefone abwesender Kolleg*innen fand sich eine pragmatische Idee. Entweder leitet der oder die Mitarbeiter*in die Anrufe aufs eigene Mobiltelefon oder die Anrufe landen per Teamschaltung in einem Sammelpool, so dass keine wichtigen Nachrichten verloren gehen. Für Beschäftigte, die sich mit mehreren ein Büro teilen, wurden nach dem entsprechenden Vorschlag Headsets angeschafft, deren Kopfhörer Umgebungsgeräusche absorbieren, so dass ungestörtes Telefonieren möglich ist.

Mehr Mitglieder setzten mehr durch

Viele weitere Ideen wurden eingebracht – von der Erarbeitung eines neuen Kommunikationskonzeptes, damit Informationen stets dort landen, wo sie hingehören, bis zur Anschaffung höhenverstellbarer Schreibtische. Timo Polk sagt: "Die Geschäftsleitung hat die gesammelten Vorschläge erhalten, anschließend wurden sie bei einer Betriebsversammlung präsentiert. Letztlich entscheidet aber die Leitung, was umgesetzt wird und was nicht." Jeder Betriebsrat könne zwar eine Gefährdungsbeurteilung einfordern. Dass aber im Nachgang alle zusammengetragenen Mängel abgestellt werden, könnten die Beschäftigtenvertreter*innen nicht verlangen.

Gleichwohl ist es dem Betriebsrat sehr wichtig, alles, was erreicht wird, per Newsletter bekanntzumachen und die Beschäftigten zu einem Feedback zu animieren. Beim Thema der höhenverstellbaren Schreibtische etwa gab es einen klassischen Kompromiss: Einen Anspruch darauf haben alle, die ein ärztliches Attest vorweisen, das ihnen ein solches Möbel verordnet. Außerdem werden bei anstehenden Renovierungen die Büros ebenfalls mit den modernen Schreibtischen ausgestattet. "Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es allerdings auch nicht ganz falsch, einen Teil der vorhandenen Tische vorerst weiter zu nutzen", sagt der Betriebsratsvorsitzende.

Einen richtig großen Erfolg zog die bereits vor der Befragung eingeleitete Untersuchung der Eingruppierungen nach sich. Auch die Gute-Arbeit-Umfrage belegte schließlich, wie unzufrieden viele Beschäftigte damit waren. Die Neubewertungen haben in der Zwischenzeit für 30 Mitarbeiter*innen Höhergruppierungen erbracht. Bleibt das Thema der Bezahlung generell. "Viele würden sich mehr wünschen", sagt Timo Polk. Da Verbesserungen beim Entgelt allerdings von den Tarifparteien ausgehandelt werden, sind an dieser Stelle die Beschäftigten gefragt, sich in ver.di zu engagieren. Mehr Gewerkschaftsmitglieder setzen auch mehr durch.

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