Ausgabe 01/2024
Beschäftigte gehen in die Luft
Es geht in der Tarifrunde bei der Lufthansa um diejenigen, die an den Schaltern, in der Flugzeugabfertigung, im Frachtbetrieb und in der Wartung in den einzelnen Konzerngesellschaften wie der Lufthansa AG, Lufthansa Technik oder Lufthansa Cargo arbeiten. Die Forderungen von ver.di: 12,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro monatlich sowie ein Inflationsausgleich. Die Lufthansa hat bislang kein angemessenes Angebot gemacht. Im Gegenteil, es ist so schlecht, dass es scheint, als nähme die Konzernleitung einen Streik billigend in Kauf. Zwar bietet die Lufthansa 13 Prozent mehr Lohn, doch über eine Laufzeit von 36 Monaten ist das ein Reallohnverlust.
ver.di Verhandlungsführer Marvin Reschinsky zeigt sich enttäuscht: "Für die Beschäftigten, die jeden Tag alles geben, ist dieses Verhalten nicht nachvollziehbar. Aber auch für Passagiere ist es kein gutes Signal, denn sie leiden ebenfalls." Kritisch sieht er auch die Zusage vom Arbeitgeber, noch in diesem Jahr 13.000 Leute einzustellen, um den Personalmangel auszugleichen und die Beschäftigten zu entlasten. Das sei ohne deutliche Gehaltssteigerung und attraktive Arbeitsbedingungen eher unwahrscheinlich.
Während Beschäftigte in der Corona-Krise auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichtet und gleichzeitig Minusstunden aufgebaut haben, um den Konzern vor der Insolvenz zu bewahren, hat Lufthansa tausende Stellen abgebaut. Ein Schritt, von dem sich die Fluggesellschaft bis heute nicht erholt hat. Wo vor Corona noch zwei Beschäftigte am Gate standen, ist heute nur noch eine Person. Gleichzeitig überfordert der Lufthansa Konzern seine Beschäftigten mit einem Wachstumsplan, der mit den realen Gegebenheiten und vorhandenen Ressourcen wenig zu tun hat. "Schon heute werden Flugzeuge ungewartet aufs Vorfeld gestellt, weil nicht genügend Techniker da sind, obwohl Lufthansa sie auf dem Arbeitsmarkt sucht. Andere Mitbewerber haben inzwischen bessere Arbeitsbedingungen. Airbus beispielsweise hat eine geringere Arbeitszeit bei höheren Gehältern. Damit muss sich Lufthansa beschäftigen und gemeinsam mit uns die Tarifverträge nachbessern", so Reschinsky.
"Die Konzernspitze hat den Draht nach unten völlig verloren."
Udo Stoye, Crew-Busfahrer in Frankfurt
Am Rande des Existenzminimums, trotz Arbeit für einen Weltkonzern: Udo Stoye, Crew-Busfahrer in Frankfurt, verleiht den finanziellen Sorgen vieler Lufthansa-Beschäftigten eine Stimme. "Mit unserer aktuellen Vergütung wird es immer schwieriger, das ganz normale Leben zu bestreiten.", klagt er. Dieses Dilemma betrifft zahlreiche Angestellte, darunter auch Flugzeugtechniker, die heute beispielsweise etwa 10 Prozent weniger verdienen als vor drei Jahren – und das trotz der schwindelerregenden Gewinne des Konzerns. Zum Kontext: Der Lufthansa-Konzern erzielte im dritten Quartal 2023 einen operativen Gewinn von atemberaubenden 1,5 Milliarden Euro – ein nahezu historischer Rekord in der fast hundertjährigen Geschichte des Unternehmens, erzielt mit dem Schweiß seiner Beschäftigten.
Doch hier geht es nicht allein ums Geld. Es geht auch um die Beseitigung der jahrzehntelangen Ungerechtigkeit zwischen Ost und West – konkret um ein Ende der Osttarifverträge. Noch immer müssen Beschäftigte im Osten für dasselbe Gehalt deutlich länger arbeiten – eine Ungleichheit, die Marvin Reschinsky scharf kritisiert: "Dreißig Jahre nach dem Mauerfall ist es ein Skandal, dass im Osten für gleiches Geld härter gearbeitet wird. Diese Tarifmauer gehört endgültig niedergerissen." Zusätzlich fordert ver.di von der Lufthansa eine unbefristete Übernahme der Auszubildenden und die Wahlmöglichkeit für die Mitarbeiter zwischen mehr Gehalt oder zusätzlichen Urlaubstagen.
Immer mehr Beschäftigte organisieren sich in ver.di: Claudia Salvoch arbeitet seit 22 Jahren für die Lufthansa und liebt ihren Beruf, wie sie betont. "Doch in den letzten Jahren sind wir für den Konzern über unsere Grenzen gegangen: Personalmangel, Überstunden sind die Regel und ein System Luftverkehr, das nicht mehr funktioniert "Deswegen haben wir uns jetzt gewerkschaftlich organisiert, um selbst Wertschätzung, Anerkennung und mehr Geld durchzusetzen." Udo Stoye sieht das genauso: "Wir sind bereit, uns zu organisieren, um diese Tarifrunde endlich als unsere Chance zu nutzen, was zu verändern."