Ausgabe 06/2007
Die Paroli bietet
Von Ulrika Brandt |Kornelia Dubbel ist seit 30 Jahren Betriebsrätin bei der Telekom. Eine Frau, die sich auch vom Aufsichtsratsvorsitzenden des Unternehmens nicht einschüchtern lässt
"Seit der Privatisierung ist nur noch Kampf angesagt"
Pfingstmontag in Düsseldorf. Kornelia Dubbel - blonde, schulterlange Haare, taillierter Cordanzug, den Knopf des Handykabels im Ohr - stürmt die Treppen der Telekom-Niederlassung in der Moltkestraße hoch. An der Wand im zweiten Stock hängen eingerahmte Plakate mit der Aufschrift "6 gewinnt". Die "6" ist überdimensional groß und fett in Magenta-Rot getaucht. Darunter stehen sechs Punkte schönstes Marketing-Blabla wie "Save for Service" und "Gewinner-Kultur". "Das ist auch so ein Ding", sagt die 57-Jährige und schüttelt mit dem Kopf. "Das hat der neue T-Com-Chef Höttges aufhängen lassen. Gerade jetzt!". Jetzt wird gestreikt, gegen geplante Lohndrückerei in 50000 Fällen.
Kornelia Dubbel ist Betriebsrätin und mit 24 Kollegen zuständig für 3000 Mitarbeiter der Kundenniederlassung West in Nordrhein-Westfalen. Seit sie bei der diesjährigen Hauptversammlung der Telekom gleich zwei Mal den Einschüchterungsversuchen des Aufsichtsratvorsitzenden Klaus Zumwinkel Paroli bot, kennt man sie nicht nur in NRW. Anerkennung zollten ihr auch überregionale Medien wie der Spiegel, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Süddeutsche Zeitung.
Jetzt ist Kornelia Dubbel auf dem Weg zu ihrer Moralrunde. Aufbauen, den Durchhaltewillen derjenigen stärken, die vor Ort die Stellung halten. Gerade mal vier Kolleginnen sitzen in dem Call Center in der Moltkestraße, wo sonst wochentags 300 im Schichtdienst arbeiten. "Das sind alles verbeamtete Kolleginnen. Ohne deren Unterstützung im Streik könnten wir einpacken", sagt sie und klopft der Dienst habenden Teamleiterin Dagmar von Helden auf die Schulter. Die murmelt etwas von "noch schlimmeren Zeiten, die kommen werden" und nimmt den nächsten Kunden an.
Bessere Zeiten hat Kornelia Dubbel, die seit über 40 Jahren bei der Telekom und seit 30 Jahren als freigestellte Betriebsrätin arbeitet, auch früher nicht wirklich erlebt. Mit gemischten Gefühlen erinnert sie sich an den 1. April 1966, ihren ersten Tag im Saal des Auslandsfernamts an der Düsseldorfer Graf-Adolf-Straße. "Ist das nicht hübsch", rief ihre Mutter, als sie die vielen jungen Frauen sah, die, so Dubbel, "wie Hühner auf der Stange saßen." Auf den Ohren schwere Kopfhörer und ein Eisengestänge, das Rillen in die Kopfhaut drückte. Vor ihnen - riesige Schalttafeln, auf denen Verbindungen noch per Hand gestöpselt wurden. Hinter ihnen - Aufsichten.
Die Gewerkschaftskarriere war nicht vorbestimmt
Die schlechten Arbeitsbedingungen, der harte Schichtdienst rund um die Uhr, die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf der vorwiegend weiblichen Angestellten und völlig unsinnige Arbeitszeiten, wie die Kinoschicht, in deren dreistündiger Mittagspause die Kollegen vor lauter Verzweiflung in die Düsseldorfer Lichtspieltheater zum Ausruhen gingen, waren es dann auch, die sie veranlassten, sich stärker zu engagieren.
Vorbestimmt war ihr die Karriere als Betriebsrätin und ver.di-Funktionärin dennoch nicht. 1949 in Grevenbroich bei Düsseldorf als Älteste von vier Kindern geboren, stammt sie, wie sie selbst sagt, aus einem eher konservativen Elternhaus. Kämpfen musste sie erst lernen. Hartnäckigkeit und Zähigkeit nicht. Die hat Ado Wilhelm, heute Streik- und ver.di-Bereichsleiter für Mobilfunk, bereits vor 40 Jahren bei ihr festgestellt. Damals, als sich beide bei der Jugendarbeit der Postgewerkschaft kennen lernten - er Fernmeldelehrling, sie im Auslandsfernamt.
Ihre schnelle Auffassungsgabe, ihre Energie, die sie oft nach einem 12-Stunden-Tag daheim noch weiterarbeiten lässt, und ihr ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit beeindrucken Ado Wilhelm immer noch: "Wenn Kornelia sich was in den Kopf gesetzt hat, dann zieht sie das durch."
Wie damals 1982, als sie zusammen mit ihren Kollegen forderte, den Nachtdienst mit dem Faktor 1,5 auf die gesamte Arbeitszeit anzurechnen. Am Ende wurde die Nachtschicht mit mehreren freien Tagen belohnt. Oder zehn Jahre später, als sie, die sich nie hat verbeamten lassen, um weiter für "ihre Angestellten da zu sein", die Gleichstellung mit den besser verdienenden Arbeitern und Beamten forderte - und erreichte: Die Angestellten stiegen auf in eine höhere Gehaltsklasse.
Mit dem Wechsel des Staats- in ein Privatunternehmen drei Jahre später änderte sich nicht nur Kornelia Dubbels Status von Personal- in Betriebsrätin. Die Themen und der Umgang miteinander wurden härter. "Seitdem", stellt sie fest, "ist nur noch Kampf angesagt". Gegen die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, gegen den Abbau von Arbeitsplätzen. Rund 120000 Telekom-Mitarbeiter haben in den vergangenen Jahren ihren Job verloren. Viele von ihnen hat auch Kornelia Dubbel gekannt.
Selbst wenn sie verhindern konnte, dass anstatt 400 geplanter Stellen nur 200 abgebaut wurden, war es bitter. "Wenn man vor der Liste mit den Sozialbögen sitzt, jeden Einzelnen kennt und mitentscheiden muss, dann tut das richtig weh", sagt Kornelia Dubbel und streicht eine lange Strähne aus dem Gesicht.
Unternehmerische Willkür regt sie auf
Die Dreistigkeit und Willkür, mit der heutzutage unternehmerische Entscheidungen getroffen werden, regen sie richtig auf. Nicht nur in der Verhandlungskommission mit der Telekom, in der immer wieder gebetsmühlenartig falsche Gehaltsvergleiche unterschiedlichster Call Center wiederholt werden - und Kornelia Dubbels Frage dagegen unbeantwortet bleibt: Warum sich mit der neuen Servicegesellschaft etwas an den aktuellen IT- und Organisations-Problemen des Telekom-Kundenservice verbessern soll?
Wie lange hat sie noch Kraft, diese Frage zu stellen? So, wie in den vergangenen Monaten immer wieder auf Demonstrationen, bei Delegationen, in Leserbriefen und persönlichen Gesprächen? Die Gewerkschafterin schaut hoch, verwundert. Was für eine Frage. "Wenn der Deich zu brechen droht, schleppt man doch auch Sandsäcke - und zwar Tag und Nacht."
Kornelia Dubbel, Betriebsrätin und Fachbereichsvorstandsvorsitzende des Landes NRW, liebt Bilder. Nicht an den Wänden - in der Sprache. Die Telekom-Manager zum Beispiel, kommen ihr vor wie Gärtner, die kurz nach dem Pflanzen ihre Bäume wieder ausreißen und sich wundern, dass diese keine Früchte tragen. Männer, die 18-mal umstrukturiert haben und sich wundern, dass es Probleme gibt.
Die Sprachbegabte wurde am 15. Dezember 1949 geboren. Ihr Vater war Architekt, die Mutter, kaufmännische Angestellte, war Hausfrau. In ihrer Freizeit (viel hat sie nicht) zieht Kornelia Dubbel mit ihrem Mann über die Trödelmärkte in Düsseldorf und Umgebung. Das ganze Haus ist dekoriert mit alten Schalen, Sensen, Truhen, Werkzeugen aus der Landwirtschaft - sehr urig. Das Paar hat eine erwachsene Tochter.