Wer arbeitslos ist, stirbt im Schnitt sieben Jahre früher als jemand, der beschäftigt ist. Die Krankenkassen in Nordrhein-Westfalen versuchen, die Verkettung aus Arbeitslosigkeit und Krankheit aufzubrechen

Herzinfarkt droht nicht vor allem Managern, sondern arbeitslosen Männern

Für viele Menschen ist es ein Teufelskreis: Krankheit erhöht das Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren. Arbeitslosigkeit macht aber auch krank. Für Gesundheitsexperten ist es fast schon eine Binsenweisheit: In zahlreichen Studien, die in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden, konnten "deutliche Gesundheitsunterschiede" zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten festgestellt werden, sagt Alfons Hollederer vom Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst Nordrhein-Westfalen.

Das beste Gegenmittel ist ein Arbeitsplatz

Alarmierend ist auch die erhöhte Sterberate von Arbeitslosen. Bei "Personen mit mindestens zwei Jahren Arbeitslosigkeit in den vorangegangenen Jahren ist im Folgezeitraum" das Risiko zu sterben 3,4 mal größer als bei durchgängig Beschäftigten, stellte das Robert-Koch-Institut in seinem Bericht "Arbeitslosigkeit und Gesundheit" fest. Im Durchschnitt ist die Lebenserwartung von Arbeitslosen im Vergleich zu Personen mit einem Arbeitsplatz um sieben Jahre geringer.

"Das beste Gegenmittel ist natürlich ein Arbeitsplatz", sagt Michael Bellwinkel vom BKK-Bundesverband der Betriebskrankenkassen , "den können wir aber leider nicht bieten". Für die Krankenkassen sind die hohen Arbeitslosenzahlen und die damit vermehrt auftretenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein enormer Kostenfaktor. "Ich habe das mal grob durchgerechnet", sagt Bellwinkel. Er kommt auf rund "15 Milliarden Euro" Zusatzkosten. Diese Summe beinhaltet sowohl die verminderten Beitragseinnahmen der Kassen als auch die Mehrkosten für die medizinische Behandlung von Arbeitslosen.

Nicht zuletzt der Kostenfaktor hat die BKK dazu veranlasst, sich in gesundheitlichen Präventionsprogrammen für Arbeitslose zu engagieren. "Die Krankenkassen sind schließlich auch vom Gesetzgeber gefordert, mehr für die Vorsorge zu tun", sagt Herbert Weisbrod-Frey, bei der ver.di-Bundesverwaltung zuständig für Gesundheitspolitik. "Wir haben schon seit langem gefordert, für diese benachteiligte Gesellschaftgruppe präventive Maßnahmen einzurichten." Es gebe zwar zahlreiche Präventionsangebote der Kassen, doch diese würden bisher meist nur von der Mittelschicht genutzt. "Die ist es gewohnt, Informationen einzuholen."

"Wir haben in der Vergangenheit die Arbeitslosen mit unseren Gesundheitsangeboten nicht erreichen können", bestätigt Bellwinkel vom BKK-Bundesverband. "Wir haben es über die Kassen mit Anschreiben versucht, sind in die Arbeitsämter gegangen und haben die Arbeitslosen angesprochen." Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus.

Aber: Beratungen und Gesundheitskurse helfen

Dabei zeigen die bisher erfolgten Modellprojekte, dass sich der Gesundheitszustand von Arbeitslosen durch entsprechende Beratungsangebote und Gesundheitskurse verbessern lässt. Jobfit Regional hieß das zweijährige Projekt, das, finanziert von der BKK und dem Landesarbeitsministerium, in mehreren Städten in Nordrhein-Westfalen 2004 gestartet wurde. Beschäftigungseinrichtungen, Bildungs- und Qualifizierungsträger, die mit den Arbeitsagenturen zusammenarbeiten, konnten gewonnen werden, entsprechende Gesundheitskurse in ihren Einrichtungen anzubieten. Zuvor geschulte Mitarbeiter behandelten in individuellen Beratungsgesprächen Gesundheitsthemen wie Ernährung, Bewegung, Stressvermeidung oder Suchtverhalten.

Insgesamt 540 Personen haben an dem Modellprojekt teilgenommen. Vor allem bei der Motivation, der psychischen Stabilität und dem Selbsvertrauen waren nach den Kursen positive Effekte wahrnehmbar, heißt es in einem Bericht von Bellwinkel. "Bei einem der Träger nahmen gar acht Teilnehmer wieder eine Beschäftigung auf, während in der Kontrollgruppe keine Vermittlung erzielt wurde."

Diese erste Projektphase diente vor allem dazu, die Strukturen für die Präventionsprogramme zu schaffen. Mit dem im vergangenen Jahr gestarteten Nachfolgeprojekt "Jobfit NRW" sollen jetzt die Vorsorgeangebote für Arbeitslose als Regelleistung etabliert werden. Daran sind diesmal auch die anderen Krankenkassen beteiligt.

Negativer Stress

Arbeitslosigkeit bedeutet nicht nur finanzielle Einbußen. Der Verlust des Jobs ist oftmals auch mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden. Vor allem der Stress und psychische Probleme beeinträchtigen auch die körperliche Gesundheit. So haben nicht - wie allgemein angenommen wird - Arbeitnehmer in Führungspositionen das höchste Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen, sondern arbeitslose Männer. Der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (2003) zufolge verbringen arbeitslose Männer wegen psychischer Störungen siebenmal mehr Tage in stationärer Behandlung als ihre erwerbstätigen Geschlechtsgenossen. Bei den Frauen sind es dreimal mehr.