Münchner Generali Versicherung und Volksfürsorge sollen fusionieren. Proteste nehmen zu

Seit Ende September schwelt der Konflikt um das einstmals gewerkschaftseigene Versicherungsunternehmen Volksfürsorge. Der Hamburger ver.di-Landesfachbereichsleiter Berthold Bose, der die Volksfürsorge betreut, sieht Chancen, die geplante Fusion mit der Generali-Lebensversicherung München noch zu verhindern und die Arbeitsplätze zu erhalten. Das Traditionsunternehmen, das aus historischer Verbundenheit als die Versicherung der Wahl für Gewerkschaften gilt, soll qua Zwangsehe zu Generali werden. Die Marke Volksfürsorge soll vom Markt verschwinden. Das wird auch Auswirkungen auf die Arbeitsplätze haben. Etwa 100 Millionen Euro will die AMB Generali Holding, eine Tochter der italienischen Assicurazioni Generali, durch die Fusion einsparen. Weitere Synergieeffekte könne ein Stellenabbau bringen, sagt die Firmenleitung, die in diesem Jahr mit einem Gewinn von 400 Millionen Euro rechnet. Betroffen sind mindestens 500 Arbeitsplätze der Volksfürsorge.

Stühle vor die Tür gestellt

Kurz vor ihrem 95. Geburtstag soll sie nicht mehr unter ihrem Namen, sondern "Unter den Flügeln des Löwen" (Generali-Slogan) um Kunden werben. Und Neukunden würde sie möglicherweise dringend benötigen: 40 Millionen Euro Versicherungsprämien zahlen die DGB-Gewerkschaften jedes Jahr an das Hamburger Unternehmen. Dieses Geld könnte künftig bei der Konkurrenz landen, darüber denkt man bei ver.di schon laut für den Tag X nach.

Doch derzeit zeigen die zahlreichen Protestaktionen erste Wirkung. Vor der Aufsichtsratssitzung am 22. November versammelten sich Beschäftigte in Köln. Als der Aufsichtsrat von den 800 protestierenden Außendienstlern hörte, die von mehr als 2000 streikenden Versicherungskollegen unterstützt wurden, verlagerte das Gremium den Treff kurzerhand zum Flughafen. Ende November gab es am Stammsitz Hamburg eine weitere Aktion: Rund 200 Mitarbeiter stellten symbolisch ihre Stühle vor die Tür.

Der Protest ist mittlerweile international. So stehen die deutschen Gewerkschafter im ständigen Kontakt mit ihren italienischen Kollegen. Ebenso funktioniert die Zusammenarbeit mit Uni Finance, der globalen Gewerkschaftsvertretung für den Finanzsektor, "ausgesprochen gut", wie Bose sagt. ver.di-Vertreter Jörg Reinbrecht, Vizepräsident von Uni Finance, ist froh über die "offensive Unterstützung" aus Italien. Er schließt nicht aus, dass die Beschäftigten ihre Wünsche demnächst gleich vor der Haustür der italienischen Mutter in Triest vortragen werden.

Mittlerweile stärken Kollegen aus aller Welt den Deutschen den Rücken. Über die Homepage von Uni Finance (www.uniglobalunion.org/unifinance) können Protestmails an die Assicurazioni Generali verschickt werden. Hunderte haben sich schon mit den deutschen Volksfürsorge-Beschäftigten solidarisiert, und es werden täglich mehr. Inzwischen sehen Bose und Reinbrecht erste Signale: Die ursprünglich ohne Mitwirkung der deutschen Gremien beschlossene Fusionsstrategie könnte noch einmal überdacht werden. ver.di erwartet Gesprächsbereitschaft. Denn das ist den deutschen Beschäftigten unverständlich: Die italienische Mutter hat sich verpflichtet, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Selbst Zwangsversetzungen sind bei Generali nicht möglich, allerdings nur in Italien.BIRGIT Böhret