Eine Verkäuferin aus Berlin hat gegen den Zwang geklagt, sonntags zu arbeiten. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. ver.di gibt nicht auf

An zehn Sonntagen im Jahr dürfen die Läden in Berlin geöffnet werden. Auch in der Adventszeit. Damit hat Berlin von allen Bundesländern die größte Freiheit, was die Öffnungszeiten angeht. Und ermöglicht dem Einzelhandel, auf Verkäuferinnen und andere Beschäftigte den härtesten Druck auszuüben. "Dabei ist der Sonntag für unsere Kolleginnen die einzige Rückzugsmöglichkeit, um einmal in der Woche zur Ruhe zu kommen", sagt Erika Ritter, Fachbereichsleiterin für den Handel bei ver.di Berlin-Brandenburg. "Es ist der einzige Tag für Familie, Freunde, Entspannung. Die vollflexible Gesellschaft macht unseren Leuten jetzt schon zu schaffen. Und sie macht Familien kaputt."

Klage abgewiesen

Im Januar 2007 wollten zwei ver.di-Mitglieder, die in einem Unternehmen im Verkauf arbeiten, gegen ihren zwangsweise angeordneten Einsatz an Sonntagen in einem Musterprozess klagen. Der Konzern erfuhr davon und schon im Dezember davor redeten die Chefs so intensiv auf beide ein, dass der Eine ernstlich krank wurde und seine Klage schließlich nicht einreichte. Die Andere - Verkäuferin, Betriebsrätin und Mitglied der ver.di-Tarifkommission - ließ sich nicht beirren. Zu sehr war sie von ihrem Recht überzeugt. Sie klagte. Daraufhin forderte die Geschäftsführung den Betriebsrat im April 2007 auf, eine neue Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeiten im Unternehmen und die Sonderöffnungszeiten abzuschließen. In dem neuen Papier stand dann, Sonntagsarbeit sei immer freiwillig. Gleichzeitig bekam die Klägerin die schriftliche Erklärung, man werde sie persönlich zeitlebens nie mehr an einem Sonntag einsetzen. Das zeigte Wirkung. Im Oktober lehnte das Verwaltungsgericht Berlin die Klage ab. Juristisch korrekt. Wenn die Verkäuferin künftig doch sonntags zur Arbeit eingeteilt werde, könne sie ja wieder vor Gericht gehen, erklärte der Richter.

Da ver.di als Organisation nicht klagen kann, sucht der Fachbereich Handel jetzt Beschäftigte, die unfreiwillig an Sonntagen eingesetzt werden und zu einer Klage bereit sind. Dass ver.di sie unterstützen wird, ist klar. "Am besten wäre es, wenn wir die halbe Belegschaft eines Kaufhauses oder großen Marktes gewinnen könnten", sagt Erika Ritter.

Verfassungsbeschwerde der Kirche

Im November reichten die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg und das Erzbistum Berlin Verfassungsbeschwerden gegen das Ladenöffnungsgesetz des Landes Berlin ein. Die Klagen richten sich gegen die Öffnung der Geschäfte an zehn Sonntagen im Jahr und unterstreichen den Schutz von Sonn- und Feiertagen als "hohem Verfassungsgut". "Das hilft uns", erklärt Erika Ritter. "Denn die Kirchen können vor das Verfassungsgericht ziehen, was uns leider nicht möglich ist." Nach dem ersten verkaufsoffenen Adventssonntag erklärte der Einzelhandel in Berlin, man habe sich ein besseres Ergebnis erhofft.Claudia von Zglinicki

Wer eine Klage in Erwägung zieht, sollte sich bei ver.di Berlin-Brandenburg melden: erika.ritter@verdi.de, Tel. 030/88665555