Im Oktober 2007 übernahm Achim Meerkamp im ver.di-Bundesvorstand die Verantwortung für die Tarifpolitik im öffentlichen Dienst. ver.di PUBLIK befragte ihn zu seiner neuen Aufgabe und zur kommenden Tarifrunde

Achim Meerkamp Mitglied im ver.di-Bundesvorstand

ver.di PUBLIK | Was hast du dir vorgenommen?

Achim Meerkamp | Ich möchte vor allem den öffentlichen Sektor zusammenhalten, in Tarifrunden mit Bund und Kommunen mittelfristig auch die Länder wieder integrieren. Zur Gemeinschaft gehören für mich auch die wirtschaftlichen Bereiche wie Sparkassen, Krankenhäuser, Nahverkehr, Flughäfen, Ver- und Entsorgung.

ver.di PUBLIK | Die Fachbereiche Bund/Länder und Kommunen liegen nun beide in deiner Hand. Ist das zu schaffen?

Meerkamp | Beide zusammenzulegen war ein mutiger Schritt - und notwendig, denn es geht überall um die gleichen Fragen: Schuldenberge, unausgeglichene Haushalte, Personalabbau, Privatisierung, Projekte mit Privaten, Aus- und Weiterbildung, Mitbestimmung und vieles mehr.

ver.di PUBLIK | Am 18./19. Dezember stellt die Bundestarifkommission die ver.di-Forderung für die Tarifrunde auf, am 10. Januar wird wieder verhandelt. Mit wem? Und worum geht es?

Meerkamp | Mit Bund und Kommunen. Unsere dort beschäftigten Mitglieder erwarten deutlich höhere Einkommen. Die Arbeitgeber wollen nur eine "maßvolle" Steigerung, von der aber die kommunalen Krankenhäuser ausgeschlossen sein sollen. Das werden wir nicht mitmachen.

ver.di PUBLIK | Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) wird oft kritisiert. Zu Recht?

Meerkamp | Der Vertrag ist ein Kompromiss und enthält Regelungen, die uns nicht gefallen, so die landesbezirkliche Öffnungsklausel für längere Arbeitszeiten bei den Kommunen. Ohne sie hätten die Arbeitgeber dem Abschluss 2005 nicht zugestimmt. Doch kaum war der TVöD in Kraft, kündigten mehrere kommunale Arbeitgeberverbände ihre Arbeitszeitbestimmungen. Auch die ,Meistbegünstigungsklausel' haben die Arbeitgeber gegen unseren Willen durchgesetzt. Inzwischen haben wir diesen Tarifvertrag aber gekündigt.

ver.di PUBLIK | Der TV-N, der Tarifvertrag für den Nahverkehr, kommt offenbar auch nicht so gut an. In München sind viele U-Bahn- und Tramfahrer zur Lokführergewerkschaft GDL übergetreten.

Meerkamp | Das müssen wir sehr ernst nehmen. Der Vertrag für den Nahverkehr sollte nicht zuletzt dazu dienen, den Personennahverkehr als öffentliche Dienstleistung zu erhalten. Bei Münchens Busfahrern ist die Bedrohung durch Fremdvergabe real, weil es dort schon 50 Prozent Anmietverkehr gibt. Im schienengebundenen Nahverkehr, der davon bisher verschont blieb, hat der Arbeitskampf bei der Deutschen Bahn seine Spuren hinterlassen.

ver.di PUBLIK | Die Entgeltordnung zum TVöD, die festlegt, wer wieviel verdient, ist nicht wie geplant bis Ende 2007 fertig geworden. Was bedeutet das für Ansprüche auf Zulagen und Aufstiege?

Meerkamp | Wir werden in der Tarifrunde 2008 auf den alten Aufstiegs- und Zulagenregelungen bestehen. Sonst gibt es mit uns keinen Abschluss.

ver.di PUBLIK | Warum kommen die Vereinbarungen über Leistungsentgelte nicht voran?

Meerkamp | Vor allem weil arbeitswissenschaftlich fundierte Kriterien zur Bewertung von Leistung im Dienstleistungssektor fehlen. Und weil die Arbeitgeber das eigentliche Ziel des Leistungsentgelts vernachlässigen: Sie wollen die Produktivität steigern, lassen qualitative Faktoren aber außer Acht.

ver.di PUBLIK | In einigen Punkten ist der Übergang vom alten ins neue Tarifrecht noch nicht geregelt. Was geschieht mit diesen "Restanten"?

Meerkamp | Sie werden im Zug der Tarifrunde 2008 gelöst. Bisher scheiterte dies am Beharren der Arbeitgeber auf längerer Arbeitszeit.

ver.di PUBLIK | Steht die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst denn wieder zur Disposition?

Meerkamp | Die kommunalen Arbeitgeber wollen längere Arbeitszeiten zum Thema machen. Ihr Maßstab ist die 40-Stunden-Woche. Einen triftigen Grund dafür gibt es aber nicht.

ver.di PUBLIK | Können die Beschäftigten in Ostdeutschland darauf vertrauen, dass ihre Einkommen wie vereinbart auf Westniveau steigen?

Meerkamp | Ja, die Arbeitgeber wollen sich daran halten. Zugleich hegen sie die Absicht, die Anpassung auf die Entgeltrunde 2008 anzurechnen.

ver.di PUBLIK | Müssen die Kolleg/innen sich für einen Streik im öffentlichen Dienst wappnen?

Meerkamp | Bei der Fülle an Problemen ist kaum damit zu rechnen, dass die Tarifrunde 2008 allein auf dem Verhandlungswege entschieden wird. Die Organisation wird sich gut auf einen Arbeitskampf vorbereiten.INTERVIEW: HERMANN SCHMID