Erfolgreich in Cottbus

Der Personalrat der Stadtverwaltung Cottbus und ver.di wehrten sich gegen Sparmaßnahmen auf Kosten der Beschäftigten

Von Daniela Fritsche

ver.di, der Personalrat und viele Betroffene zeigten Präsenz

Cottbus, eine Stadt in Brandenburg, Arbeitslosenquote 20 Prozent. Wer hier Arbeit hat, setzt alles daran, sie nicht zu verlieren. Und 1257 Mitarbeiter/innen der Stadtverwaltung haben gerade gezeigt, wie man das macht. Geholfen haben ihnen ein starker Personalrat, ver.di und ihr unerschütterliches Vertrauen in deren Rat und Unterstützung.

Der OB will mit Macht sparen

Oberbürgermeister Frank Szymanski (SPD) lenkt - mehr oder weniger erfolgreich - die Geschicke der 100000-Einwohner-Stadt. Um das Stadtsäckel um jährlich drei Millionen Euro zu entlasten, hatte er eine Strategie erdacht. Erst beschloss er gemeinsam mit den Stadtverordneten, innerhalb eines Jahres 250 Mitarbeiter zu entlassen. ver.di und der Personalrat protestierten, 300 Demonstrant/innen machten Druck. Daraufhin nahm man diesen Beschluss Ende Juni wieder zurück und ersetzte ihn durch einen neuen Antrag aller Fraktionen: Alle angestellten Mitarbeiter der Stadtverwaltung - eben jene 1257 Menschen - sollten statt 100 Prozent nur noch 80 Prozent ihrer Arbeitszeit leisten. Dafür sollte es natürlich auch 20 Prozent weniger Lohn geben.

Das Lächeln der Sieger

"Ich erinnere mich besonders an einen Mann, der hier im Büro saß und mir vorrechnete, dass er seine vierköpfige Familie mit 80 Prozent von 1400 Euro netto nicht mehr versorgen kann. Er drohte damit, sich einen Strick zu nehmen", sagt Personalrätin Karin Matthes. Zu den Existenzängsten der Menschen kam ein bis dahin noch nie empfundenes Minderwertigkeitsgefühl. Denn der Oberbürgermeister ging davon aus, dass die Arbeit trotz der Kürzung der Arbeitszeit weiter zu 100 Prozent erledigt werden könne.

Regina Hartnick, Personalratsvorsitzende und Vorsitzende des ver.di-Fachbereichs Gemeinden in Cottbus, sitzt an ihrem Schreibtisch in der vierten Etage des Rathauses. Sie kann sich das Siegerlächeln nicht verkneifen. Gemeinsam mit ver.di-Sekretär Ralf Franke und den anderen im Personalrat staunt sie noch immer über die Ignoranz und Borniertheit, mit der die Politiker versuchten, bei den Beschäftigten das Geld einzusparen, das durch städtische Fehlinvestitionen vergeudet worden war. Das hatte bereits in Frankfurt/Oder geklappt, in Brandenburg an der Havel und auch auf Landesebene in Brandenburg. Ralf Franke: "Erst droht man mit Entlassungen, und wenn alle kalte Füße bekommen haben, wird über Haustarife der Lohn gekürzt." Doch diesmal lief es anders.

Wer Arbeitsbedingungen verändern will, muss die Gewerkschaft auffordern, darüber zu verhandeln. In einem Vier-Augen-Gespräch machte Franke dem OB klar, dass er nur in Tarifgespräche einsteigen könne, wenn die Mitglieder das wollen. Sie wollten aber nicht. Am 24. September stimmten 66,45 Prozent der an der Abstimmung beteiligten ver.di-Mitglieder dagegen. Das Schwierigste sei gewesen, die Mitarbeiter immer wieder zu beruhigen und aufzuklären, sagt Regina Hartnick. Sie spricht von der unglaublichen Demotivierung in der Verwaltung. Doch andererseits solidarisierten sich die Mitarbeiter, organisierten sich bei ver.di und engagierten sich als Vertrauensleute. Ralf Franke nennt die Zahlen, die bundesweit einmalig sind: "Seit Januar stieg unsere Mitgliedszahl von 284 auf 450 - das sind 53 Prozent mehr. Im Grunde müssten wir dem OB für seinen ver.di-Marketing-Erfolg danken." Tun sie aber nicht.

Und wieder eine Drohung

Ende Juli gab es dann wieder eine Sondersitzung der Stadtverordneten. An einem Freitag um 17 Uhr - mitten in den Sommerferien - wollten die Abgeordneten quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit abstimmen. Dass sie es schließlich doch nicht taten, lag daran, dass 300 Demonstranten und ein rechtskräftiges Urteil des sächsischen Landesarbeitsgerichts, das ver.di kurz zuvor veröffentlicht hatte, Wirkung zeigten. Das Arbeitsgericht hatte festgestellt, dass Arbeitsbedingungen wie eine Arbeitszeitkürzung nicht einseitig verändert werden können, wenn sie sozial unverträglich sind.

Regina Hartnick und Ralf Franke wissen, dass die Auseinandersetzung noch nicht beendet ist. Zwar ist die Kürzung von Arbeitszeit und Geld auf 80 Prozent seit Ende Oktober vom Tisch, doch der OB bietet nun eine Abfindung von bis zu 60000 Euro pro Arbeitsplatz und droht mit Entlassungen.

Ob er das ernst meint, bezweifeln die Gewerkschafter. Denn in seiner kürzlich veröffentlichten Ein-Jahres-Bilanz gab er zu: "Als wir die 80-Prozent-Klausel vorgeschlagen haben, wussten wir noch nicht, dass wir durch rigide Sparpolitik und schlanke Strukturen bereits drei Millionen Euro eingespart hatten!" Dieses Zitat hängt am Schwarzen Brett im Personalratsbüro.