Ausgabe 03/2008
Der fliegende Teppich
Von Eckhard Stengel |Wie eine Reise mit Gruner + Jahr beinahe mit dem Kauf zweier Teppiche für 15000 Euro endete
Mit Teppich nach Hause fliegen? Touristen in einem Teppichgeschäft im türkischen Ortahisar
Gratisreisen ins Ausland per Postwurfsendung oder Click im Internet? Dahinter stecken oft Abzocker. Wenn dagegen der Großverlag Gruner + Jahr (G + J) eine "Leser-Kulturreise durch die Türkei" anbietet, müsste eigentlich alles völlig seriös ablaufen. Müsste. Doch Oberstudienrätin W. (52) aus dem Raum Bremen berichtet über andere Erfahrungen: Sie sei in der Türkei massiv zum Kauf überteuerter Teppiche gedrängt worden.
Frau W. sollte nichts für die sieben Übernachtungen zahlen, sondern nur 98 Euro für den Flug. Vorsichtshalber fragte sie nach, ob es sich um eine Verkaufsveranstaltung handele. "Nein", sei ihr versichert worden. Also flog sie mit ihrem Lebensgefährten in die Türkei.
Alles lief gut - bis die Reisegruppe eine Teppichknüpferei besuchte. Auf der Fahrt dorthin habe der Reiseleiter sie mit den Worten eingelullt, der Betrieb sei besonders sozial. Das auf diese Weise hergestellte Vertrauen sei dann missbraucht worden, rügt die Pädagogin: Nach einem Vortrag und einer Produktschau sei sie gefragt worden, ob sie nicht Interesse an einzelnen Teppichen habe. In einem separaten Raum hätten dann geschulte Verkäufer sie und ihren Freund zwei Stunden lang bearbeitet und zum Kaufen animiert - "richtig raffiniert und fies".
Es war wie Hypnose oder Gehirnwäsche
Am Ende, so erzählt Frau W. weiter, habe sie für 15000 Euro zwei Sechs-Quadratmeter-Teppiche gekauft - 1000 Euro als Anzahlung, den Rest bei Anlieferung in Deutschland. "Es war wie Hypnose oder Gehirnwäsche."
"Das wird uns öfter berichtet", bestätigt Lovis Wambach von der Verbraucherzentrale Bremen. Dass Frau W. selber Schuld habe, findet er nicht. Denn: Auch gestandene Persönlichkeiten könnten von geschickten Verkäufern überrumpelt werden. Eine Rentnerin habe sich mal Schmuck für 68000 Euro andrehen lassen.
Nach dem Kauf war Frau W. "entsetzt über mich selber" und legte Widerspruch beim Teppichhändler sowie Protest bei G + J ein. Doch ihre Faxe und Einschreiben blieben unbeantwortet - angeblich nur deshalb, weil sie sich bei ihrer Telefonnummer vertippt hatte. "Aber die hätten ja längst schriftlich reagieren können", findet sie. Erst als ein Journalist beim Verlag nachhakte, kam Bewegung in den Fall: Die Teppichfirma versprach, den Kaufvertrag zu stornieren und die Anzahlung zu erstatten.
Der Verlag versichert, er habe "alles unternommen", um der Kundin "kulant entgegen zu kommen". Und er wehrt sich gegen den Eindruck, "wir würden uns an Machenschaften aktiv beteiligen, unsere Kunden hinters Licht zu führen." Im Gegenteil: "Über die Jahre hinweg haben wir sehr viele positive Rückmeldungen in Form von Dankschreiben erhalten."
Auch Geschäftsführer Bernhard Keller von der Firma "Promotion Travel", die als "Kooperationspartner" von G + J die Reise organisierte, erklärt, dass sich "aus dieser Reisegruppe kein anderer Gast beschwert hat". Deshalb gehe er davon aus, dass alles "normal, wie immer abgelaufen ist". Jeder Kunde könne am Einkauf teilnehmen oder aber ins Firmencafe gehen.
Dass die Teppiche "bei weitem überteuert" seien, wie Frau W. glaubt, bezweifelt Keller, und er bestreitet auch, dass die Verkaufsgespräche hinter geschlossenen Türen geführt würden: Die separaten Räume "haben keine Türen". In ihrem Fall doch, versichert die Oberstudienrätin.
Sie räumt allerdings ein, im Reiseprospekt einen Hinweis übersehen zu haben: dass in der Teppichknüpferei "die Möglichkeit zum Einkaufen" bestehe. Aber auch wenn sie das bemerkt hätte, hätte sie wohl nur einen Laden erwartet, "wo du vielleicht mal gucken kannst". Ohne quasi hypnotisiert zu werden.
Laut Verbraucherschützer Wambach werden nicht nur bei Billigreisen, sondern oft auch bei regulären Türkei-Buchungen Manufakturbesuche angeboten. Von solchen Programmpunkten, so Wambach, sollte man sich lieber fernhalten - zumal bei rein türkischen Anbietern das deutsche Widerrufsrecht nicht gelte.
Übrigens wäre das Happy End für Frau W. fast noch gescheitert: Zwei Wochen nach der versprochenen Stornierung kündigte eine Spedition plötzlich die Lieferung der Teppiche an. Erst nach erneuter Beschwerde, so erzählt die entnervte Lehrerin, habe die Teppichfirma den Kauf wirklich rückgängig gemacht und auch endlich die Anzahlung erstattet.