Eine Leiharbeitsfirma im Saarland suchte gezielt nach einer Streikbrecherin für Real

Doris Meißner hat nicht mitgespielt

Doris Meißner hat Courage bewiesen und dabei ihren Job verloren. Als Leiharbeiterin in einem Real-Markt im Saarland sollte sie anstelle ihrer streikenden Kolleginnen arbeiten. Sie weigerte sich. Seitdem ist sie ver.di-Mitglied.

Doris Meißner ist Einzelhandelskauffrau und verheiratet, sie hat zwei Kinder großgezogen und zwischendurch immer wieder gearbeitet, im Textileinzelhandel, in einer Anwaltskanzlei. Um ihre Chancen zu verbessern, besuchte sie Computerkurse. Zuletzt war sie als Pflegerin für ihren Vater gefordert. "Danach fühlte ich mich noch nicht reif fürs Altenteil", sagt sie.

Im November 2007 bewarb sie sich bei der Leiharbeitsfirma "SIG Human Resources" als Kassiererin für die SB-Warenhauskette Real. Schon am nächsten Tag hatte sie ein Vorstellungsgespräch und die Zusage für einen befristeten 19-Stunden-Job. 6,33 Euro pro Stunde waren selbst für die Neueinsteigerin nicht viel. "Ich war froh, aber ich hatte das Gefühl, die wollten mich überrumpeln", sagt Doris Meißner und hatte damit wohl Recht. Zu dieser Zeit zeichneten sich schon Streiks im Einzelhandel ab.

Ein Gefühl wie noch nie

Nach nur einem Tag Einarbeitung fand sich Doris Meißner als Kassiererin im Real-Markt Riegelsberg bei Saarbrücken wieder. Wenige Tage später rief ihr Arbeitgeber SIG an. "Die Personalsachbearbeiterin wies mich an, tags darauf statt ab 15 Uhr ab acht Uhr früh zu arbeiten." Doris Meißner willigte ein. Schließlich wollte sie flexibel sein und Leistungsbereitschaft zeigen. Am nächsten Morgen erfuhr sie aus dem Radio vom Streik in ihrem Real-Markt. "Da war ich richtig wütend. Die hatten mich nur eingestellt, damit sie mich als Streikbrecherin einsetzen können. Es war an der Zeit, nein zu sagen." Vor dem Betrieb verteilten ver.di-Streikposten Flugblätter. "Die Kolleginnen waren begeistert, dass ich mitmache. Ich fühlte mich so gut wie noch nie."

Doris Meißner rief ihren Arbeitgeber an und verlangte, in einem Betrieb eingesetzt zu werden, der nicht bestreikt wird. "Die waren überrascht", freut sich Meißner, "womöglich hatte ich sie diesmal überrumpelt."

Die Leiharbeitsfirma ging nicht auf ihre Forderung ein. Sie solle nach dem Warnstreik an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, hieß es. Da war ihr klar, welche Folgen ihr Verhalten haben würde. Zur nächsten Schicht durfte sie nicht mehr antreten, wurde nach Hause geschickt. Die Leiharbeitsfirma war telefonisch für sie nicht mehr erreichbar. Ein paar Tage später kam die Kündigung "aus betrieblichen Gründen". "Ich war traurig, aber ich fühlte mich auch bestätigt", resümiert Meißner. Für sie war der Fall damit erledigt, nicht aber für die stellvertretende ver.di-Landesleiterin Steffi Nutzenberger. Die Geschichte von der streikenden Streikbrecherin hatte sich herumgesprochen. Nutzenberger empfahl der zu unrecht Entlassenen eine Klage vor dem Arbeitsgericht, unterstützt von ver.di. Der Zusammenhang zwischen dem Streik und der Kündigung war zu offensichtlich. Das räumte selbst Meißners Ex-Arbeitgeber SIG ein und zahlte schon vor dem Verfahren den restlichen Lohn. Doris Meißner will sich wieder nach einem Job umsehen. Sie sagt: "Mein Beispiel sollte Schule machen."

Einzelhandel

Bewegung in der Tarifrunde

Anfang April schloss ver.di für die 90000 Beschäftigen der REWE-Gruppe einen Tarifvertrag ab. Der Vorschalttarifvertrag gilt bis zum Abschluss eines Flächentarifvertrags. Die Löhne werden rückwirkend ab 1. Januar um drei Prozent erhöht. Zusätzlich gibt es für 2007 für jeden tariflosen Monat 50 Euro. Die vereinbarte Jahressondervergütung beträgt 12,5 Prozent des monatlichen Tarifentgelts. Die Zuschläge für Montag bis Freitag ab 18 Uhr 30 und für Nachtarbeit bleiben unverändert, die Zuschläge für Samstag fallen je nach Tarifgebiet für unterschiedliche Zeiten weg.

Und im Saarland?

Seit Januar 2007 sind der Manteltarifvertrag und der Tarifvertrag Sonderzahlung für die 40000 Beschäftigten gekündigt, seit April 2007 auch die Tarifverträge über Lohn und Gehalt. Die letzte Verhandlung fand am 22. Juni 2007 statt. Anfang 2008 forderte ver.di Saar die Arbeitgeber auf, die Verhandlungen wieder aufzunehmen.

ver.di organisierte 2007 und 2008 mehrere landesweite Tagesstreiks in SB-Warenhäusern wie Real, Kaufland und Globus Handelshof sowie in den Kaufhäusern Karstadt und Kaufhof. Die Streikbereitschaft war so hoch wie nie zuvor. Am 3. April forderte ver.di Saar die Arbeitgeber erneut zu Verhandlungen auf.