Viele Selbstständige leiden unter Stress, Erschöpfung, Muskel- und Rückenschmerzen

Es gab Tage, da hatte Katrin Lang (Name geändert) noch nicht einmal Zeit, sich eine Pizza in den Ofen zu schieben. "Von morgens früh bis in die Nacht saß ich am Schreibtisch, um meine Artikel zu schreiben", erzählt die 35-jährige Journalistin. Drei Jahre lang. "Trotz der vielen Arbeit verdiente ich selten über 1000 Euro im Monat", erzählt sie. Als die Sorge um ihre wirtschaftliche Existenz Katrin Lang den Schlaf raubte und sie sich nur noch ausgebrannt fühlte, besuchte sie ein Coaching. "Es hat mich darin bestärkt, mir andere, finanzstärkere Auftraggeber zu suchen und mehr auf meine Gesundheit zu achten", sagt sie.

Der enorme wirtschaftliche Druck führe zu Überarbeitung und Vereinsamung, beobachtet Gunter Haake, Geschäftsführer der ver.di-Selbstständigenberatung mediafon. Auf Dauer mache er sogar krank. Dennoch seien gesundheitliche Gefahren bei vielen Selbstständigen kein Thema, sagt Haake. Es sind die mediafon-Beraterinnen und Berater, die ansprechen, wie die Selbstständigen ihre Arbeit und Freizeit organisieren, ob sie sich Ruhephasen gönnen und soziale Beziehungen pflegen, kurz: eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Leben halten. Genau die nämlich fehlt nach einer Umfrage von ver.di und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) bei über 30 Prozent der Solo-Selbstständigen. Viele leiden unter hohem Arbeitsdruck, chronischem Zeitmangel, Überstunden und enger Terminbindung. 87 Prozent der Männer und 59 Prozent der Frauen arbeiten deutlich mehr als 40 Stunden in der Woche. Erschöpfung, Rücken- und Muskelschmerzen sind die Folge.

"Das ungesunde Leben vieler Selbstständiger wird Konsequenzen für ihr Alter haben", warnt Sozialwissenschaftler Eberhard Pech von der BAuA. "Nicht zuletzt deshalb müssen wir sie für den Gesundheitsschutz sensibilisieren." Schließlich handele es sich um eine stetig zunehmende Zahl von Menschen. In den letzten zehn Jahren ist sie um über 20 Prozent auf rund viereinhalb Millionen angewachsen. Und: Rund 90 Prozent dieser Selbstständigen arbeiten allein oder als Kleinunternehmer mit maximal fünf Angestellten. "Das Thema Gesundheitsschutz muss bereits in der Gründungsberatung angesprochen werden", fordert Pech.

Doch die BAuA und ver.di sehen nicht nur die Selbstständigen in der Pflicht, sich um ihren Gesundheitsschutz zu bemühen. Auch die Gewerkschaften, Berufsverbände, Kammern und Behörden müssten das Thema stärker aufgreifen, meint Haake. "Es sollte fester Bestandteil der Beratung werden." Von der Politik erwartet der mediafon-Geschäftsführer ebenfalls ein Umdenken. "Selbstständige müssen endlich einen Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen haben," fordert er. "Und zwar einen, der ihrem Einkommen entspricht und bei dem Auftraggeber an den Kosten beteiligt werden." Sabine Damaschke

Beratung für Selbstständige

Seit Oktober 2000 vermittelt die ver.di-Beratungsstelle mediafon einzeln arbeitenden Selbstständigen aller Branchen berufsspezifische Kenntnisse und Hilfen. Ein Internetportal, Newsletter und Ratgeber informieren rund um alle Themen zur Selbstständigkeit. Von 2004 bis 2006 war mediafon am Forschungsprojekt "selbstständig & gesund" zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes Selbstständiger beteiligt. www.mediafon.net

Ein Tipp: Selbstständige können sich freiwillig in den meisten Berufsgenossenschaften gegen Unfall und Berufsunfähigkeit versichern - relativ günstig.

Weitere Informationen unter:

www.baua.de www.selbststaendig-und-gesund.de

www.gesund-gruenden.de www.progruender.de