Balken auf dem Auszug können Folgen haben

Beim Antrag auf ALG II wird immer öfter die Vorlage von Kontoauszügen gefordert. Betroffene sehen das als Eingriff in persönliche Daten

Erwerbsloseninitiativen kennen das Problem. Welche Belege darf das Job-Center fordern, wenn ein Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt wird? Häufiger Streitpunkt sind die Kontoauszüge. Manche Antragsstelle fordert sie sofort rückwirkend für drei Monate und macht Schwierigkeiten, wenn die Antragsteller einzelne Ausgabepositionen schwärzen.

Insbesondere Arbeitslose oder Aufstocker, die zum ersten Mal Leistungen beantragen, empfinden die Vorlage von Auszügen "sehr oft als nicht vereinbar mit dem Schutz ihrer persönlichen Daten", hat Frank Riedel von der Arbeitslosenberatungsstelle "Maßarbeit" in Herford (NRW) festgestellt. Schließlich würden die Auszüge Rückschlüsse auf Konsumgewohnheiten zulassen. Ihnen sei auch zu entnehmen, ob jemand Mitglied einer Gewerkschaft oder einer Partei ist. "Das geht das JobCenter nichts an", sagt Angelika Klahr von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen.

Einnahme klar erkennbar

Das Problem stellte sich schon bei Anträgen auf Sozialhilfe. Die Datenschutzbeauftragten mehrerer Bundesländer sahen es bereits in einem Gutachten aus dem Jahr 2003 für zulässig an, dass einzelne Buchungen geschwärzt werden können. Insbesondere bei Abbuchungen unter 50 Euro soll dies möglich sein. Einnahmen müssen allerdings klar erkennbar sein.

Wer einen Antrag auf Arbeitslosengeld stellt, ist nach dem Sozialgesetzbuch dazu verpflichtet, daran mitzuwirken, dass der Antrag geprüft werden kann. Einnahmen könnten in der Regel nicht geschwärzt werden, sagt Bernhard Jirku, der beim ver.di-Bundesvorstand für die Erwerbslosen zuständig ist. Ausgaben könnten hingegen weitgehend geschwärzt werden, es sei denn, es handele sich um relevante Ausgaben wie Miete oder Heizkosten. "Erst wenn darüber hinaus ein begründeter Verdacht auf Missbrauch besteht, kann die zuständige Stelle in einem gewissen Umfang ungeschwärzte Kontoauszäge einfordern", sagt Jirku.

Das handhaben die Sachbearbeiter/innen in den Argen und Optionskommunen bundesweit unterschiedlich. Einer 28-jährigen Frau aus Duisburg wurde nach eigenen Angaben das Arbeitslosengeld II gestrichen, weil sie ihre Kontoauszüge nicht ungeschwärzt einreichen wollte. Zwei Mitglieder von "Andere Wege", der Arbeitsloseninitative Bergstraße (Hessen), klagten, weil sie nicht die Kontoauszüge des letzten Vierteljahres bei ihrer Antragsstellung vorlegen wollten. Vor dem Sozialgericht Darmstadt bekamen sie Recht (AZ S9 AS 817/06 ER). Doch bis zum Eiltermin vor Gericht mussten sie drei Wochen ohne Geld, Miete und Krankenversicherung aushalten.

Peter Zalewski von der ver.di-Erwerbslosensprechstunde des Bezirks Mittelbaden-Nordschwarzwald weist auf ein Musterschreiben hin, mit dem mehrere Arbeitssuchende die Anfrage nach ungeschwärzten Kontoauszügen abwehren konnten. Die rechtlich mit dem Sozialgeheimnis nach Sozialgesetzbuch X, Paragraf 67 begründete Argumentation: Die Weigerung, "lückenlose Kontoauszüge der vergangenen drei Monate vorzulegen, stellt keinen Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten dar, soweit kein konkreter Anhaltspunkt für einen Verdacht auf Leistungsminderung besteht. Die Erhebung dieser Sozialdaten ist nicht leistungserheblich und verstößt gegen das Recht auf Sozialgeheimnis."

Die deutschen Sozialgerichte urteilen nicht einheitlich. Das Landessozialgericht Hessen hat entschieden, dass es beim Erstantrag nicht zulässig sei, grundsätzlich Kontoauszüge zu verlangen. Dies sei nur möglich, wenn die Behörde einen Verdacht auf Sozialmissbrauch nachweisbar begründen könne (Az L7 AS 32/05 ER). In Baden-Württemberg urteilte das Landessozialgericht, ein Bezieher von ALG II sei im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht zur Vorlage von Kontoauszügen verpflichtet, selbst wenn kein Verdacht auf Leistungsmissbrauch bestehe (az L13 AS 4282/07). Vom Bundessozialgericht liegt dazu noch kein Urteil vor.

Angelika Klahr empfiehlt, sich beraten zu lassen. "Wir müssen die Leute aufklären über mögliche Folgen, beispielsweise das Kürzen von Bezügen." Zu klagen berge angesichts der bisherigen Rechtsprechung "Chancen und Risiken". Generell hält sie es für unzulässig, die Leistung komplett zu streichen - womit die Arbeitssuchenden dann auch nicht mehr krankenversichert sind. In diesem Fall sollte man eine einstweilige Anordnung vor Gericht erwirken, um das zustehende Geld zu bekommen.