Beinahe jeder zweite Deutsche sucht bei gesundheitlichen Problemen Hilfe bei seinem Computer. Doch der ist oft genug ein zweifelhafter Ratgeber. Wie man wohlbehalten durchs Internet kommt

Sie haben Magenschmerzen? Reizhusten, Haarausfall oder periodisch wiederkehrendes Fieber? Sie selber, ein Freund oder Verwandter leiden an einer schweren Krankheit - Krebs, Parkinson, Multiple Sklerose? Heutzutage fragen Bürger in solchen Fällen nicht mehr nur ihren Arzt oder Apotheker. Sie konsultieren Dr. Google und Dr. Yahoo. Umfragen zufolge sucht in Deutschland mittlerweile schon jeder Dritte bis Zweite bei gesundheitlichen Problemen Hilfe im Internet. Frauen und Menschen mit höherer Bildung sind überproportional vertreten.

Doch viele machen sich nicht klar, welche Nebenwirkungen in den Untiefen des Internets lauern. Mal eben das Stichwort "Herzinfarkt" eingegeben - und Sie erzielen bei Google mehr als eineinhalb Millionen Treffer. Wer sich auf das erstbeste Angebot einlässt, gefährdet seine Gesundheit. Der Sozialmediziner David Klemperer von der Fachhochschule Regensburg hat das Online-Angebot getestet, sein Fazit ist ernüchternd: "Die Qualität von Gesundheitswebsites reicht von hervorragend bis Schrott, alle Abstufungen dazwischen sind zu finden." Die Informationsspreu vom Weizen zu trennen, sei "für den Laien häufig schwierig", bisweilen kaum möglich.

Wer beim Surfen einige Grundregeln beherzigt, grenzt die Risiken ein. "Verlässlich ist eine Website am ehesten, wenn der Betreiber unabhängig von kommerziellen Interessen ist", so Klemperer - eigentlich eine Binsenweisheit. Oft genug stößt man im Impressum oder unter "Wir über uns", mehr oder weniger gut erkennbar, auf ein "U-Boot" der Pharmaindustrie. Die Internetadresse www.diabetes.de zum Beispiel stammt von Novo Nordisk Pharma, www.parkinson-web.de kommt von GlaxoSmithKline, hinter www.osteoporose.com verbergen sich Sanofi-Aventis und Procter & Gamble. Solche Websites seien "meist hochprofessionell und faktenreich", sagt Klemperer: "Unabhängige Informationen zu erwarten, wäre jedoch naiv."

Auch hinter populären Websites können sich kommerzielle Interessen verstecken, ohne dass dies auf Anhieb erkennbar wäre. Portale wie netdoktor.de und medinfo.de finanzieren sich durch Anzeigen und Sponsoring. Klemperer ordnet sie deshalb in die Rubrik "mit Vorsicht zu genießen" ein. Er rät dringend davon ab, Informationen aus dem Internet "als alleinige Grundlage für Entscheidungen" über medizinische Fragen heranzuziehen. "Nutzen Sie Ihre Funde als Grundlage oder Ergänzung Ihres Gesprächs mit Ihrem Arzt", empfiehlt der Sozialmediziner. Denn: "Im Internet kann jeder (fast) alles schreiben und behaupten."

Angebote wie das des unabhängigen "Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen" (IQWiG) sind im Internet die absolute Ausnahme: Hier durchläuft jeder Artikel, bevor er online gestellt wird, eine mehrstufige Qualitätskontrolle, um sicherzustellen, dass sich alle Informationen tatsächlich durch aktuelle medizinische Studien belegen lassen.

Doch obwohl also generell Misstrauen angesagt ist, sind viele Internet-User unbekümmert. Eine Umfrage des "Pew Internet & American Life Project" ergab, dass gerade mal 15 Prozent aller Rat suchenden Amerikaner "immer" die Quelle und das Datum der online aufgespürten Gesundheitsinformationen überprüfen; drei Viertel hingegen unterzögen sich dieser Mühe "nur manchmal", "fast nie" oder "nie".

Dafür wissen die Anbieter genau, wovon sich Internet-Nutzer besonders leicht beeindrucken lassen, fand die Psychologin Pamela Briggs von der britischen Northumbria Universität heraus. Als besonders "vertrauenswürdig" stuften ihre Probanden vor allem Websites mit Erfahrungsberichten von Betroffenen ein. Dass unseriöse Anbieter solche Patientenschicksale auch manipulieren können, liegt auf der Hand.

Indes: Die Möglichkeit von Patienten, sich online über medizinische Fragen zu informieren, stellt das Verhältnis zwischen Arzt und Patient auf ein vollkommen neues Fundament. Hinter einer kryptischen Fachsprache kann sich heute schon kein Arzt mehr verstecken. Und im Trend liegen gar Internetportale, die Patienten selber bestreiten, indem sie etwa Ärzte, Kliniken und Medikamente bewerten und Erfahrungen austauschen. "Der Arzt der Zukunft wird ein Wissens-Navigator sein", prophezeit der US-Mediziner John D. Halamka, Leiter der Informationsabteilung der Harvard Medical School. Denn wie ein typischer "e-Patient" reagiert, wenn der Arzt sich weigert, das Ergebnis einer Online-Recherche mit ihm zu besprechen, fanden US-Forscher schon 2003 heraus: Er sucht sich einfach eine andere Praxis.

Ohne Nebenwirkungen

www.gesundheitswebsites.de Überblick über vertrauenswürdige Gesundheitswebsites; zusammengestellt von der Fachhochschule Regensburg

www.gesundheitsinformation.de Patienteninformationen des unabhängigen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG); guter Zugriff über die A-Z-Liste; die Website ist noch im Aufbau

www.patienten-information.de Online-Portal des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin; Verweise auf mehr als 1000 Websites, ausgewählt nach definierten Qualitätskriterien

www.krebsinformationsdienst.de Deutsches Krebsforschungszentrum

Englischsprachige Gesundheitsinformationen im Internet sind oft von sehr viel besserer Qualität als deutschsprachige. Sie werden von staatlicher Seite gefördert, zum Beispiel:

www.cancer.gov Online-Auftritt des US-Nationalen Krebsinstituts

www.englischwoerterbuch-medizin.de praktisches Online-Wörterbuch mit medizinischen Fachbegriffen