Nach heftigen Arbeitskämpfen gibt es Abschlüsse

Rüdiger Wolff ist erfahrener Tarifexperte in der ver.di-Bundesfachgruppe Einzelhandel. Doch an eine Tarifrunde wie die jüngste kann er sich nicht erinnern. Rund anderthalb Jahre und hunderte von Streiks erforderte es, bis nach ihrer Kündigung zum Jahresende 2006 die Manteltarifverträge wieder in Kraft gesetzt wurden. 15 Monate vergingen bis zum Abschluss der ersten Entgelttarifverträge im Einzelhandel.

"Unbestrittener Erfolg ist, dass wir dank großer Einsatzbereitschaft der Beschäftigten den Flächentarifvertrag gerettet haben", sagt Rüdiger Wolff. Lange Zeit sah es in der Tarifrunde so aus, als ob die Arbeitgeberseite keinesfalls nachgeben würde.

Der Streitpunkt

Hauptstreitpunkt waren die Zuschläge für Spät-, Nacht- und Wochenendarbeit, die die Arbeitgeber streichen wollten. "Am Ende haben wir uns in diesem Bereich durchgesetzt", stellt der Tarifexperte fest. "Zwar werden Zuschläge an Samstagen künftig erst ab 18 Uhr 30 statt ab 14 Uhr 30 Uhr gezahlt, aber alle sonstigen Zuschläge für Spät- und Nachtarbeit bleiben bis Ende 2010 unangetastet." So steht es in den bisher wieder in Kraft getretenen Manteltarifverträgen.

Der Durchbruch

Den Durchbruch bei den Verhandlungen hatte es am 10. Juli in Baden-Württemberg gegeben. ver.di und die Arbeitgeber einigten sich auf den Abschluss eines Flächentarifvertrags, der mehr Geld (drei Prozent rückwirkend ab 1. April und eine Einmalzahlung von 400 Euro für April 2007 bis März 2008) und auch die modifizierten Zuschläge für Spät-, Nacht- und Wochenendarbeit umfasst. Dass es zu diesem - kaum noch erwarteten - Durchbruch kam, ist aus Sicht der stellvertretenden ver.di-Vorsitzenden Margret Mönig-Raane einer Doppelstrategie zu verdanken: "Einerseits Verhandlungen in Baden-Württemberg, unterstützt von Streiks, andererseits Gespräche mit einzelnen Unternehmen und die Vorbereitung einer ver.di-Kampagne für den Herbst führten dazu, dass die Arbeitgeberseite einlenkte", erklärte sie.

Hilfreicher Vorschalttarif

Wegen der Weigerung der Arbeitgeber, ernsthaft zu verhandeln, hatte ver.di eine große Kampagne vorbereitet, um die Flächentarifverträge im Einzelhandel durchzusetzen. Hilfreich war auch der schon im April mit Rewe abgeschlossene Vorschalttarifvertrag. Nach Baden-Württemberg haben bisher Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin-Brandenburg vergleichbare Tarifabschlüsse vereinbart. Nach Redaktionsschluss standen noch Verhandlungen in Schleswig-Holstein an. Ergebnislos blieben im August die Verhandlungen in Niedersachsen-Bremen, weil unter anderem beim Thema Mindestlohn keine Einigung möglich war. Die Verhandlungen werden fortgesetzt. Auch in Hamburg war die Situation Ende August wieder offen, da die Arbeitgeber den Ende Juli erzielten Tarifabschluss widerrufen hatten. Für den 12. September war ein Gespräch vereinbart. Und nach der Tarifrunde ist vor der Tarifrunde, da die Entgeltverträge nur für zwölf Monate gelten. So stehen in den ersten Landesbezirken im April 2009 schon die nächsten Verhandlungen bevor.

"Wir werden die geplante Herbstkampagne zur Frühjahrskampagne umgestalten", sagt Rüdiger Wolff. Margret Mönig-Raane weist darauf hin, dass die nächste Tarifrunde zeitgleich mit der des "strategisch wichtigen" Großhandels laufen wird. "Ganz sicher wird es dann um deutlich mehr Geld für die Beschäftigten gehen." Denn die jetzt ausgehandelten drei Prozent decken kaum die Inflationsrate.