Gewaltloser Kampf für kluge Köpfe

Mit einer so großen Resonanz hatten die Veranstalter des Bildungsstreiks nicht gerechnet: 250 000 Protestierende nahmen teil. Manche hoffen nun auf eine kraftvolle Bewegung

"Deutsche Bank - geschlossen wegen Gefährdung des Allgemeinwohls" stand auf einem Plakat in Frankfurt. Auch in Hamburg, Freiburg, Köln, München, Dresden und Berlin stürmten am 18. Juni Schüler und Studierende - zum Teil mit Wasserpistolen bewaffnet - zahlreiche Geldhäuser. Denn während der Staat für die Banken innerhalb weniger Tage Hunderte von Milliarden locker gemacht hat, ist die Bildung in Deutschland seit Jahren unterfinanziert.

Am Tag zuvor hatten deutschlandweit 250 000 überwiegend junge Menschen demonstriert. Das waren weit mehr, als die Veranstalter erwartet hatten. Außerdem besetzten sie an zahlreichen Orten Universitätsgebäude und blockierten Straßen. Der Protest richtet sich gegen die Verdichtung der Lehrpläne durch die Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre und gegen die Verschulung des Studiums aufgrund der Umstellung auf Bachelor und Master. Außerdem fordern die Demonstranten die Abschaffung der Studiengebühren.

Jetzt muss der Protest weitergehen, sind sich alle Aktivisten einig. "Was wir bisher gemacht haben, waren symbolische Aktionen, um Aufmerksamkeit für unser Anliegen zu bekommen. Nun wird daraus hoffentlich eine richtige Bewegung", sagt Maren Ulbrich, die in München Politikwissenschaft studiert und sich in der ver.di-Jugend engagiert. Schließlich gehe es darum, konkrete Ergebnisse zu erzielen.

Böse Worte der Ministerin

Darauf hoffen auch die Studierenden im Saarland, wo Ende August Landtagswahlen stattfinden. Dort hat der Asta mit Oppositionspolitikern von den Linken, den Bündnisgrünen und der SPD Verträge abgeschlossen: Sollten sie an die Regierung kommen, verpflichten sie sich, die Studiengebühren wieder abzuschaffen - ansonsten müssen sie selbst pro Semester 500 Euro zahlen. Auch wenn sich "die Mehrheit der Studis im Saarland bisher leider noch nicht engagiert", wie die angehende Kulturwissenschaftlerin Felicitas Becher aus Saarbrücken bedauernd berichtet, ist sie dennoch optimistisch: Bei der Aktionswoche hat sie viel Verständnis in der Bevölkerung registriert.

Besonders viel los war in Berlin. "Wir haben uns sehr gefreut, dass alles friedlich abging und nicht einmal Spiegel TV etwas Negatives berichten konnte", sagt Kaspar Metzkow. Der 15-jährige Schüler aus der Käthe-Kollwitz-Schule engagiert sich seit längerem in der Berliner Gruppe "Schulaction" für bessere Bildungschancen. Die Gruppe trifft sich regelmäßig zum 24-stündigen "Denkmarathon" - und so war Kaspar Metzkow gut gerüstet für das knapp einstündige Gespräch, das neun Kultusminister einer sechsköpfigen Delegation gewährten. "Die waren freundlich. Aber hinten rausgekommen ist nichts", bilanziert der Zehntklässler. "Denen ging es nur um das Händeschütteln vor den Kameras", glaubt auch die Literaturstudentin Aline Herbing. Die Kultusminister hätten sich nicht ernsthaft mit den Argumenten der Schüler und Studierenden auseinandergesetzt und sich darüber hinaus auch noch für unzuständig erklärt. "Die haben gesagt, wir sollten uns mit unseren Forderungen an die Landesregierungen und die Hochschulrektorenkonferenz wenden", sagt die 24-Jährige.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan, CDU, hatte die Proteste lächerlich gemacht und nannte sie "zum Teil gestrig". Deutschland sei Teil des europäischen Bildungsraums – Bachelor und Master deshalb nicht verhandelbar. Doch die meisten Studierenden fordern gar nicht die Abschaffung der Studiengänge, sondern ihre bessere Ausgestaltung und freien Zugang zu ihnen.

Der Hoffnung, die Sache einfach aussitzen zu können, sollte sich die Politik jedenfalls nicht hingeben. Die Schüler und Studierenden sind gut vernetzt und haben bei ihrer ersten Aktion über 100 000 Leute mehr auf die Beine gebracht, als sie selbst erwartet hatten. Annette Jensen