Ausgabe 05/2011
„Wir machen die Zeitung“
"Wir machen die Zeitung"
Auch bei der Südwest-Presse in Ulm reißt den Redakteurinnen und Redakteuren allmählich der Geduldsfaden: Sie kämpfen gegen Billig-Journalismus
von Silke Leuckfeld
An den Streiks der vergangenen Wochen haben sich einige tausend Redakteur/innen von Tageszeitungen beteiligt. Dennoch beharren die Vertreter des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) weiter darauf, die Tarife zu senken. Die Verhandlung wurde ergebnislos abgebrochen, ein neuer Termin ist nicht vereinbart.
Der Verband will zudem das Urlaubsgeld streichen und für neue Redakteursverträge ein niedrigeres Gehaltsniveau, weniger Urlaub, längere Arbeitszeiten und eine Absenkung der Altersversorgung einführen (siehe ver.di PUBLIK 04_2011). All das will die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di nicht nur abwehren, sondern die Beschäftigten auch an den erwirtschafteten Gewinnen beteiligen. Daher fordert sie vier Prozent mehr Gehalt. Und der Tarifvertrag soll nun endlich auch für Online-Redakteure gelten.
Die Arbeitgeber haben bisher lediglich eine geringe Gehaltssteigerung für den regulären Gehaltstarifvertrag angeboten, wenn die Verlage gleichzeitig selbst entscheiden können, ob sie das Urlaubs- und Weihnachtsgeld befristet halbieren - was rund fünf Prozent weniger Einkommen bedeuten würde.
Es trifft Redakteure und Drucker
Vor dem Verhandlungsort in Dortmund demonstrierten am 4. Mai rund 200 Beschäftigte aus mehreren Verlagen. "Keinen Cent und keinen Zentimeter werden wir zurückweichen", sagte Martin Krehl, Betriebsrat der Westfälischen Rundschau. "Wir sind die Journalisten, wir machen die Zeitung, nicht die Anzugträger in der Verlagsgeschäftsführung."
Nicht nur für die Redakteure an Tageszeitungen, auch im Druckbereich sind die Tarifverträge gekündigt. Den Eigentümern der Zeitungen gehören auch die Druckmaschinen, auf denen die Blätter hergestellt werden. Sie sitzen als Vertreter des Bundesverbandes Druck und Medien (bvdm) am Verhandlungstisch. Auch hier wollen sie die Tarife absenken. "Mit ihren Tarifforderungen sind die Zeitungsverleger und Druckunternehmer maßlos. Sie verlangen ultimativ radikale Einschnitte im Flächentarif. Sonst könne nicht über Tariferhöhungen verhandelt werden. Überhaupt stünden dann alle Tarif-verträge zur Disposition", sagt ver.di-Verhandlungsführer Frank Werneke. "Und das in einer Situation, in der nur wenige der 140 deutschen Verlage in wirtschaftliche Bedrängnis geraten sind. Die meisten haben nach wie vor sehr gute Renditen."
Der BDZV und der bvdm agieren ähnlich. "Beide Arbeitgeberverbände sind in ihrer ideologischen Ausrichtung marktradikal bis auf die Knochen", urteilt Werneke. "In angestammten Geschäftsfeldern, bei Anzeigen und Druckaufträgen wurde einem ruinösen Rabatt- und Preiskampf kaum Einhalt geboten. Beide Verbände tragen ihre Versäumnisse in der Tarifpolitik aus, haben dabei aber die Widerstandskraft der gewerkschaftlich organisierten Kolleginnen und Kollegen der Printbranche unterschätzt."
Gemeinsame Aktionen
Es gab deshalb gemeinsame Aktionen von Redakteuren und Druckern. Bei der Süddeutschen Zeitung waren am Verhandlungstag nicht nur 150 Redakteure im Ausstand, auch die Druckerei wurde bestreikt. Das Blatt erschien als Notausgabe. In Frankfurt streikten mit 200 Redakteur/innen aus fünf hessischen Zeitungshäusern auch die Drucker der Frankfurter Societäts-Druckerei und der Westdeutschen Verlags- und Druckerei GmbH in Mörfelden. "Dass es den Kolleginnen und Kollegen jetzt reicht, dass sie für ihre Arbeit endlich wieder Tariferhöhungen sehen und eine Bedrohung ihrer Einkommen und Arbeitsbedingungen nicht hinnehmen wollen, diese Tatsache wird von den Print-Arbeitgebern ausgeblendet", so Werneke. "Wir bereiten uns auf eine Tarifrunde vor, die notfalls auch über viele Monate geht." http://tarifrunde-print.verdi.de