von Helma Nehrlich

"Beteiligung ist mehr als eine Methode, sie ist eine Haltung", bescheinigte IG-Metall-Laudator Peter Donath den Gewinnern des Deutschen Betriebsräte-Preises 2011 vom Hamburger Flugzeugbauer Airbus Operations GmbH. Faktisch würdigte er damit alle 70 eingereichten Projekte quer durch die verschiedenen Branchen. Alle haben sich nachhaltig für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Verbesserung von Arbeitsbedingungen in ihren Unternehmen eingesetzt. Das gilt auch für den ver.di-Betriebsrat in der Niederlassung Brief Nürnberg der Deutschen Post AG. Mit seinem Projekt "Arbeitszeiterfassung für alternsgerechtes Arbeiten" konnte der Betriebsrat den Sonderpreis in der Kategorie "Gute Arbeit" erringen.

Die wirkliche Zeit

Als eine "harte Nummer" bezeichnet die Betriebsratsvorsitzende Renate Birkel das, was die 27 Nürnberger Interessenvertreter/innen in den vergangenen Jahren ausgefochten haben. Zeitweise standen sie mit ihrem Projekt ziemlich alleine da. Weder der Arbeitgeber noch ein Großteil der 2200 Beschäftigten in der Zustellung wollten zunächst eine "Istzeit-Erfassung".

Doch die Betriebsräte ließen sich nicht beirren. "Wir haben die Schwachen geschützt", sagt Renate Birkel überzeugt. Damit meint sie in erster Linie die älteren Beschäftigten. Die gerieten durch das gängige System zur Bemessung ihrer Zustellbezirke zunehmend unter Druck. Sie schafften die Zeitvorgaben nicht und mussten länger arbeiten, um alle Briefe und Pakete in ihrem Bezirk zuzustellen, während junge, fixe Zusteller mit der vorgeschriebenen Zeit zurechtkamen. Es verlangte deshalb auch Einsicht von den Leistungsstarken, die Bemessungswerte zu ändern. Nach dem neuen Modell wird die tatsächlich geleistete Arbeitszeit anerkannt. Für die, die länger brauchen, kann Mehrarbeit in Freizeit ausgeglichen werden. Diese Betriebsvereinbarung ließ sich beim Arbeitgeber schließlich nur mit Hilfe einer Einigungsstelle durchsetzen, doch nach einem Jahr Erprobungszeit und Überzeugungsarbeit vor Ort erhielten die Betriebsräte die Bestätigung für ihre Idee. "69 Prozent der Belegschaft haben sich 2010 an unserer anonymen Befragung beteiligt. Die Mehrheit votierte für die Istzeit-Erfassung. Das hat uns bestätigt", sagt Renate Birkel. Die Niederlassung Nürnberg ist bisher die einzige, in der ein solches Arbeitszeitmodell gilt. "Die Älteren gewinnen viel, die Jüngeren verlieren nichts", erklärt sie. Das Konzept passe genau in den Generationen-Tarifvertrag, der gerade bundesweit mit der Deutschen Post abgeschlossen wurde (Bericht S. G1). Gerade deshalb hat sich Birkel besonders über den Preis gefreut. Die Urkunde hängt für alle sichtbar vor ihrem Büro.

Der Vorschlag aus Bayern

Der ver.di-Landesfachbereich Bayern hatte die Nürnberger für den Wettbewerb vorgeschlagen. Wegen großer Konkurrenz habe es die Jury nicht leicht gehabt, sagt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Dina Bösch. Für den Sonderpreis "Gute Arbeit" hatten die Juror/innen zwischen Projekten auszuwählen, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit guter Arbeit befassen. Prämiert wurde am Ende eine Interessenvertretung, die sich auf einen "langen, schwierigen Weg gemacht und bewusst der Leistungsverdichtung für die Zusteller entgegengewirkt" habe. Ein Beispiel dafür, was ein Betriebsrat erreichen kann.

Der Deutsche Betriebsräte-Preis wurde auf dem Bonner Betriebsrätetag im früheren Plenarsaal des Bundestages zum dritten Mal vergeben. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, die Schirmherrin, hatte diesmal andere Termine. Auch der Parlamentarische Staatssekretär als Vertretung hielt seine Zusage nicht und glänzte durch Abwesenheit. Der DGB hat das als Brüskierung der Arbeit der Betriebsräte kritisiert.

Deutscher Betriebsräte-Preis, seit 2009 ausgeschrieben von der Fachzeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb

Preise 2011

  • Gold: Betriebsräte Airbus Operations GmbH für das Projekt "Engineering Forum - Betroffene zu Beteiligten machen"
  • Silber: Gesamtbetriebsrat der Schott Mainz AG für "Strategische Personalplanung im Zeichen des demografischen Wandels"
  • Bronze: Betriebsrat der Risse + Wilke Kaltband GmbH & Co. KG, Iserlohn, für "Qualifizierung und Ausbildung fördern - Leiharbeit verhindern"

Sonderpreise

  • Gute Arbeit: Betriebsrat Niederlassung Brief Nürnberg der Deutschen Post AG
  • Innovative Betriebsratsarbeit: Betriebsrat der Aeskulap AG, Tuttlingen
  • Krisenbewältigung: Betriebsrat der ATIKA GmbH & Co. KG, Ahlen
  • Zukunftssicherung: Betriebsrat der B. Braun Melsungen AG