Der Streik hat sich gelohnt: ver.di setzt einen neuen Tarifabschluss im kommunalen Nahverkehr im Südwesten der Republik durch. Wichtige Ziele sind erreicht

Am 26. Oktober fuhren in Freiburg weder Busse noch Straßenbahnen: Streik der Verkehrs-AG der Stadt

Mal blieb das technische Personal den Arbeitsplätzen fern, mal fehlten die Fahrerinnen und Fahrer. Streiken lohnt sich - unterm Strich brauchte es schließlich nur wenige Streiktage, bis der Tarifabschluss für den kommunalen Nahverkehr in Baden-Württemberg auf dem Tisch lag.

"Wir sind froh, dass es uns heute gelungen ist, die Kuh vom Eis zu bringen", sagte ver.di-Verhandlungsführer Rudolf Hausmann am 3. November in Stuttgart. "Wir sind stolz auf die Kolleginnen und Kollegen der Nahverkehrsbetriebe, die dieses Ergebnis gemeinsam erkämpft haben. Und die dieses Ergebnis auch verdient haben."

Die wichtigsten Ergebnisse

Kernpunkte des neuen Tarifabschlusses mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) sind deutliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, vor allem für die Fahrerinnen und Fahrer und die Schichtarbeiter/innen, aber auch der Einstieg in eine Vorteilsregelung für die ver.di-Mitglieder unter den Beschäftigten und die Option auf eigenständige Entgeltverhandlungen in Baden-Württemberg ab Ende Oktober 2014. Zum ersten Mal konnte auch eine Beschränkung der Leiharbeit auf vier Prozent durchgesetzt werden. Der neue Tarifvertrag läuft bis Ende 2016, ebenso lange gilt jetzt eine Beschäftigungssicherung.

Was sich konkret verändert

Verbesserungen der Arbeitsbedingungen - konkret heißt das zum Beispiel, dass das Weihnachtsgeld allen Beschäftigten wieder zu 100 Prozent gezahlt wird und alle, inklusive Auszubildende, 30 Tage Urlaub pro Jahr bekommen.

Auch die von vielen Beschäftigten seit langem kritisierte Leistungsbezahlung - Abkürzung LOB - verändert sich: Dieses LOB wird ab 2012 für alle zu zwei freien Tagen pro Jahr umgewandelt.

Ein Erfolg ist auch, dass für geteilte Schichten als Ausgleichszahlung künftig drei Euro statt wie bisher nur ein Euro und zwei Cent gezahlt werden. Und der Kompromiss bei der Vorteilsregelung für Gewerkschaftsmitglieder sieht so aus: Der Arbeitgeber übernimmt für ver.di-Mitglieder den Jahresbeitrag zur GUV/FAKULTA-Versicherung oder bezahlt 25 Euro pro Jahr für ihre Berufshaftpflichtversicherung.

"Heute haben wir einen Teil der Verschlechterungen aus den vergangenen fünfzehn Jahren rückgängig gemacht", sagt ver.di-Sekretär Rudolf Hausmann. Das Ergebnis könne sich wirklich sehen lassen. Hausmann betont, dass der Durchbruch nur durch den geschlossenen Einsatz aller Beschäftigten erreicht werden konnte. "Über eigenständige Entgeltverhandlungen können sie nun in drei Jahren erstmals selbst entscheiden."

Entlastung durch freie Tage

Diese Option war für Beate Dittus, die seit sechs Jahren Fahrerin bei den Stuttgarter Straßenbahnen ist, der wichtigste Punkt auf der langen Forderungsliste für die Manteltarifverhandlungen 2011. Für sie und viele ihrer Kolleginnen und Kollegen war das "das Herzstück der Verhandlungen".

Entscheidend war für viele auch, dass das ungeliebte Leistungsentgelt auf der Liste stand, aber eben nicht mehr als Bezahlung, sondern in Form von freien Tagen. "Die Beschäftigten des Nahverkehrs brauchen eine Entlastung", sagt Ursula Schorlepp. Sie ist bei ver.di Stuttgart für den Verkehrsbereich zuständig. Die Straßenbahnfahrerin Beate Dittus, die - wie mehr als 96 Prozent der betroffenen ver.di-Mitglieder - für einen Streik gestimmt hat, sieht das genauso.

Auch Elektromeister Ralf Käpple gehört zu denen, die gestreikt haben. Ihm war vor allem die Entgeltordnung wichtig. "Denn eine faire Eingruppierung bringt den Kolleginnen und Kollegen mehr als zwei Prozent", sagt er. Und auch für ihn hat es sich gelohnt, auf die Straße zu gehen: Die neue Entgeltordnung muss bis zum 31. Oktober 2012 abgeschlossen sein, haben die Tarifparteien vereinbart. Die Verhandlungen werden sofort aufgenommen.

Zweite Urabstimmung für die Mitglieder

Die für den Nahverkehr zuständige ver.di-Landestarifkommission hat dem Verhandlungsergebnis mit großer Mehrheit zugestimmt und sich ausdrücklich bei ihren Kolleginnen und Kollegen für den "mutigen und beherzten Einsatz" bedankt.

In einer zweiten Urabstimmung müssen die ver.di-Mitglieder jetzt endgültig über den Abschluss entscheiden. Der Vertrag gilt in Stuttgart, Karlsruhe, Baden-Baden, Freiburg, Esslingen, Heilbronn und Konstanz. Beim Haustarifvertrag für den Nahverkehr in Pforzheim werden einige Punkte des Tarifabschlusses übernommen, dafür hat ver.di schon gesorgt.