Der Arbeitsdruck im Einzelhandel ist enorm. Doch Zustände wie beim Möbelunternehmen XXXLutz fallen sogar in dieser Branche auf. Da werden Umsatzvorgaben aufgestellt, die auch erfahrene Verkäufer/innen nie schaffen können. Verstöße gegen Vereinbarungen zur Arbeitszeit sind an der Tagesordnung. Von Tarifbindung will das Unternehmen nichts wissen. "Wir wollen, dass die Missstände bei Lutz endlich aufhören", erklärte ver.di-Sekretär Dirk Nagel im September. Hintergrund war die öffentliche Kontroverse zwischen Helmut Götz, Deutschland-Chef von Möbel-Lutz, und ver.di um einen Tarifvertrag. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Österreich lehnt Verhandlungen seit Jahren ab. Lutz-Chef Götz hatte gegenüber der Süddeutschen Zeitung behauptet, auch ohne Tarifvertrag würden 80 Prozent der Beschäftigten in Deutschland übertariflich bezahlt. "Bei der hohen Zahl an Aushilfen mit zum Teil nur 7,60 Euro Stundenlohn ist das schon rechnerisch nicht möglich", konterte Nagel. Der Tarif liegt in Bayern über zwölf Euro, hinzu kommen im Möbelhandel meist Provisionen, die bei Lutz kaum zu erreichen sind. Zirka 80 Prozent der Lutz-Belegschaft, so Nagel, verdienen weniger, als der Tarif vorsieht.

Vollzeit trotz Teilzeit

"Viele Verkäuferinnen und Verkäufer schaffen die Umsatzvorgaben nicht und wechseln in Teilzeit", sagt Monika Linsmeier von ver.di Niederbayern, die für die Lutz-Häuser in Landshut und Passau und das Zentrallager in Fatting zuständig ist. Das Unternehmen lässt die Beschäftigten gern auf Teilzeitstellen mit geringerer Bezahlung wechseln - für die sie in der Regel immer noch volle Tage arbeiten müssen, um die Vorgaben zu erfüllen. "Im Lager Fatting wiederum gab es regelmäßig Verstöße gegen die Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit", sagt Linsmeier. Allein im Dezember 2010 waren es 845 Fälle. Inzwischen werden weniger Verstöße gegen die Arbeitszeitvereinbarung registriert. Das hat einen Grund: Die wöchentliche Arbeitszeit wurde auf 48 Wochenstunden heraufgesetzt. Hätte der Betriebsrat sich nicht darauf eingelassen, sagt Monika Linsmeier, wäre das Lager geschlossen oder zumindest teilverlagert worden.

Seit mehr als zehn Jahren expandiert Lutz in Deutschland, indem Möbelhäuser hinzugekauft werden. An 28 Standorten sind 9300 Mitarbeiter/innen beschäftigt. Der Druck ist hoch, gewerkschaftlich orientierte Betriebsräte haben es schwer, engagierte Beschäftigte landen schnell auf der Abschussliste.

Nur in dem im Jahr 2000 übernommene Möbelhaus Neubert in Würzburg ist es etwas anders. Hier gab es bis vor kurzem einen Haustarifvertrag, allerdings war der nicht mit ver.di abgeschlossen. Aus historischen Gründen war die Gewerkschaft Holz/Kunststoff zuständig, die in der IG Metall aufgegangen ist. "Wir arbeiten mit anderen Betriebsräten und ver.di zusammen", sagt Bernd Bausenwein, der Betriebsratsvorsitzende bei Möbel-Neubert.

Aktuell kämpft er dagegen, dass selbst Auszubildende Umsatzvorgaben erfüllen müssen. Weiterer Konfliktpunkt ist die Tarifbindung. Bausenwein sagt: "Lutz-Chef Götz behauptet, dass die Belegschaft keinen Tarifvertrag will, weil mehr als 91 Prozent der Kollegen eine 3,5-prozentige freiwillige Lohnerhöhung des Unternehmens in der letzten Tarifrunde angenommen haben." Doch der Betriebsrat hat die Belegschaft befragt und festgestellt, dass es anders ist: 98,6 Prozent der Beschäftigten wollen wieder einen Tarifvertrag, ähnlich wie in allen Lutz-Häusern. ver.di wird sich weiter dafür einsetzen, so Dirk Nagel. Gudrun Giese