Ausgabe 01/2012
Eindrückliche Erfahrungen mit Till
Maike Schollenberger, Mitglied in der Gesamtjugend- und Auszubildendenvertretung bei der Deutschen Post AG und Vorsitzende des dortigen Arbeitskreises "Antidiskriminierung", über Diskriminierung am Arbeitsplatz
ver.di PUBLIK | Maike, Du hast durch Deine Arbeit in der Auszubildendenvertretung sehr häufig mit dem Thema Diskriminierung zu tun. Hast Du in Deiner Ausbildungszeit schon konkrete Erfahrungen mit Benachteiligung gemacht? MAIKE SCHOLLENBERGER | Ja, in der Berufsschule hatte ich eine Mitschülerin, die ihre geschlechtliche Identität zu einem Mann wechselte. In der Zeit ihres Coming Out hat das unter den Mitschülerinnen und Mitschülern zu ziemlich viel Verwirrung geführt. Vor allem als er dann sowohl die Herren- als auch Damentoiletten benutzte, gab es Abwehrhaltungen der anderen. Sie wussten einfach nicht, wie sie damit umgehen sollten. Es gab zwar keine offenen Beleidigungen, aber schiefe Blicke und Getuschel.
ver.di PUBLIK | Wie seid Ihr in der Schule mit der Situation umgegangen? MAIKE | Der Mitschüler hat sich zunächst an uns, die lokale Jugendvertretung und den Betriebsrat, gewandt. Wir haben dann gemeinsam mit der Lehrerschaft Aufklärungsarbeit über geschlechtliche Identität in den Klassen geleistet. Das war wichtig. So konnte er am Ende seine Ausbildung ganz normal abschließen.
ver.di PUBLIK | Ein positives Beispiel. Welche Möglichkeiten haben Azubis noch, wenn sie in ihrer Ausbildung mit Diskriminierung konfrontiert werden? MAIKE | Anlaufstelle sind in erster Linie die Jugendvertretungen und der Betriebsrat. In vielen Betrieben gibt es auch eine Schwerbehindertenvertretung, wenn es um Schwerbehinderte geht. Dann ist natürlich ver.di vor Ort auch immer eine wichtige Ansprechpartnerin. In vielen ver.di-Bezirken gibt es Arbeitskreise zum Thema Antidiskriminierung oder Antirassismus-Arbeit, wo man sich tatkräftige Unterstützung holen kann. Zusätzlich kann man sich auch bei den ver.di-Seminaren super zu dem Thema weiterbilden.
ver.di PUBLIK | Als Arbeitskreis "Antidiskriminierung" der Gesamtjugend- und Auszubildendenvertretung habt Ihr bei der Deutschen Post einen bundesweiten Auftrag. Wie muss man sich Eure Arbeit vorstellen? MAIKE | Wir beschäftigen uns vor allem damit, einen jährlichen Aktionstag zum Internationalen Tag der Menschenrechte Anfang Dezember vorzubereiten und zu veranstalten. Einen Tag speziell für die Auszubildenden. Der Tag steht jedes Jahr unter einem anderen Motto, etwa "Flagge zeigen, denn Deutschland ist bunt". Da ging es zum Beispiel um Diskriminierung von Homosexuellen oder Transgendermenschen.
ver.di PUBLIK | Und wie bringt Ihr den Auszubildenden das Thema an dem Tag näher? MAIKE | Besonders eindrückliche Erfahrungen haben wir mit der Theatergruppe "Till" gemacht, die sich mit Diskriminierung künstlerisch auseinandersetzt. Zu Beginn der Veranstaltung wissen die Azubis gar nicht, dass sie ein Theaterstück sehen. Für sie wirkt es so, als hätten wir wirklich ehemalige Diskriminierungsopfer, Nazis oder Vergewaltiger eingeladen. Die Schauspieler erzählen dann ihre Stories, versuchen mit den Azubis zu diskutieren, und erst am Ende wird alles aufgelöst. Da ist es auch schon mal vorgekommen, dass Azubis komplett ausgerastet sind, weil der vermeintliche Nazi aufgestanden ist und wahllos Leute angepöbelt hat. Auf diese Weise suchen wir die Konfrontation und bringen die Azubis dazu, selbst den Mund aufzumachen - in ihrem Betrieb, ihren Zustellstationen und ihrem privatem Umfeld.
INTERVIEW: Stefan Zimmer