Von Karin Flothmann

Das Bündnis "Nazifrei - Dresden stellt sich quer", dem auch die ver.di Jugend angehört, will sich nicht allein den Rechten entgegenstellen, sondern aktiv mitbestimmen und unsere Gesellschaft mit gestalten

Am 13. Februar jährte sich zum 67. Mal die Bombardierung Dresdens. Und auch in diesem Jahr mobilisierten Neonazis rund um die "Junge Landsmannschaft Ost" für diesen Tag und den 18. Februar zu einem Aufmarsch der Nazis durch die Stadt an der Elbe. Noch bis vor zwei Jahren wurde daraus einer der größten Aufmärsche von Neonazis aus ganz Europa, von den Nazis zynisch "Trauermarsch" genannt. Doch dem setzte ziviler Ungehorsam in den vergangenen Jahren ein Ende. Durch Straßenblockaden konnten die Rechten daran gehindert werden, Dresden zu einem Schauplatz von Naziparolen und martialisch anmutender Präsenz in Springerstiefeln zu machen. Und auch in diesem Jahr heißt es im Februar wieder: "Nazifrei! - Dresden stellt sich quer!"

"Es ist unfassbar, dass Nazis ihre Ideologien so offen propagieren können", sagt Thomas Voß, ver.di-Landesbezirksleiter für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Und Ringo Bischoff, Bundesjugendsekretär bei ver.di, ergänzt: "Ziviler Ungehorsam ist dort nötig, wo wir unsere Demokratie bedroht sehen. Wo wären wir als Gewerkschaften heute, wenn Menschen nicht immer wieder kollektiv Regeln übertreten hätten?" Daher fährt auch die ver.di Jugend in diesem Jahr wieder am 18. Februar nach Dresden. Denn, so Bischoff, "es geht um mehr als darum, die Nazis zu blockieren. Es geht um unser Recht auf aktive Mitbestimmung und Mitgestaltung der Gesellschaft!"

Schon für den 13. Februar hatte das Bündnis "Dresden nazifrei", zu dem Gewerkschaften, Politiker von Grünen, SPD und Linkspartei und antifaschistische Gruppen gehören, zu einem Mahngang "Täterspuren" eingeladen. Der Mahngang sollte aufzeigen, dass Dresden keineswegs eine unschuldige Stadt war. Am 18. Februar will das Bündnis nun erneut durch Blockaden verhindern, dass der Naziaufmarsch stattfinden kann. Protestiert wird dann auch gegen das sächsische Demokratieverständnis und die Kriminalisierung von Antifaschismus.

Gegen die Datensammelwut

Denn im vergangenen Jahr demonstrierten die sächsischen Sicherheitsbehörden, dass sie alles daransetzen, den Neonazis den Weg freizumachen. Zum einen erließ die Dresdener Stadtverwaltung in Absprache mit der Polizeidirektion Dresden ein vollständiges Versammlungsverbot für zivilgesellschaftliche und antifaschistische Demonstrant/innen in der Altstadt Dresdens. Hier sollten die Rechten ungestört marschieren dürfen. Die Gegenaktionen sollten in der Neustadt stattfinden. Aktivist/innen des Bündnisses unterliefen dieses so genannte Trennungskonzept. Der Aufmarsch der Neonazis konnte empfindlich gestört werden.

Zum anderen starteten die Sicherheitsbehörden damals eine umfassende Funkzellenabfrage. Die sächsische Polizei fragte über mehrere Stunden hinweg mehr als 900 000 Datensätze von den Mobilfunkbetreibern ab. 54 000 davon wertete die Polizei aus. Das heißt: Namen, Adressen und Geburtsdaten der Nutzer wurden ermittelt. Mithilfe eines sogenannten IMSI-Catchers konnten die Gespräche auch noch abgehört und Kurzmitteilungen mitgelesen werden. Der Vorwurf, der die Datengier rechtfertigen sollte, lautete Landfriedensbruch. Pikanterweise waren auch Journalistinnen und Journalisten, Abgeordnete und Rechtsanwälte unter den Bespitzelten, Geheimnisträger also, deren Daten gar nicht ausgespäht werden durften. Die Abgeordneten des sächsischen Landtags, die die Aktionen um den 19.Februar nicht nur einmal im Parlament diskutierten, erfuhren von dieser Datensammelwut erst aus der Zeitung.

Nach dem Neonaziaufmarsch fand außerdem eine rabiate Polizeirazzia im "Haus der Begegnung" in Dresden statt. Unter anderem wurden dort die Geschäftsstelle der Linken und ein Anwaltsbüro durchsucht. Acht Monate später, im Oktober vergangenen Jahres, wurde diese Aktion per Gericht für rechtswidrig erklärt.

Gegen die Kriminalisierung von Antifas

Gegen rund 40 der Blockierer, so schätzt Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk, sind noch Verfahren anhängig. In einem Fall wurde bereits ein Blockierer freigesprochen. In einem weiteren Fall hat das Gericht eine Geldstrafe verhängt. In drei Fällen wurden Anklageschriften wegen schweren Landfriedensbruchs verfasst. Und die Justiz beschäftigt sich überdies auch immer noch mit den Blockaden im Jahr 2010. Hier sind noch vier Verfahren gegen die Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei aus Sachsen, Thüringen und Hessen anhängig, denen vorgeworfen wird, seinerzeit gegen das Versammlungsverbot verstoßen zu haben.

Nicht nur vor dem Hintergrund der unlängst aufgedeckten Thüringer Nazi-Terrorzelle, auf deren Konto die Morde an acht türkischen, einem griechischen Mitbürger und einer Polizistin gehen, sind all diese Maßnahmen der sächsischen Ermittler völlig unverhältnismäßig. Anstatt den zivilen Protest gegen Neonazis zu kriminalisieren, sollten die Behörden dort ermitteln, wo wirkliche Gefahr für die Demokratie droht. "Unfassbar, dass Neonazis Menschen bedrohen, angreifen und töten konnten, während der Verfassungsschutz tatenlos bleibt", sagt Thomas Voß von ver.di. "Die Kriminalisierung von Antifaschistinnen und Antifaschisten erscheint da als blanker Hohn."

Weitere Informationen und detailliertes Hintergrundmaterial unter http://dresden-nazifrei.com