Ausgabe 05/2012
„Gut, aber nicht zum Jubeln!“
"Gut, aber nicht zum Jubeln!"
Tarifabschluss im Bankgewerbe
Gehalt:2,9 % mehr ab 1. Juli 2012,2,5 % mehr ab 1. Juli 2013,350 Euro pauschal, spätestens im Juli 2012.
Jugend:
- Die Ausbildungs- vergütungen steigen ab 1. Juli 2012 um
50 Euro, ein Jahr später um 45 Euro. Plus Einmalzahlung von 100 Euro.
- Stufenweise Übernahme der Azubis nach dem Abschluss.
Vorruhestand:Bis 20. April 2014 verlängert.
Gesundheitsschutz:Arbeitgeber und ver.di tauschen sich einmal im Jahr über betrieblichen Gesundheitsschutz aus.
Der Tarifvertrag läuft bis 30. April 2014.
GABRIELE PLATSCHER, ist Bankkauffrau und -fachwirtin, Betriebsratsvorsitzende bei der Deutschen Bank in Braunschweig, Mitglied in der ver.di-Bundesfachgruppe Bankgewerbe und in der Verhandlungs- kommission
ver.di PUBLIK | Ihr habt es geschafft, der Abschluss ist da. Bist du zufrieden?Gabriele Platscher | Ja. Jedenfalls, wenn ich alle Umstände bedenke, die schwierig waren. Natürlich habe ich mir gewünscht, dass sich mehr Kollegen an den Streiks beteiligen, bei uns in der Region und überall im Land. Dabei spielt aber auch der enorme Personalabbau der letzten Jahre eine Rolle: Bei früheren Streiks waren wir einfach noch viel mehr Leute, auch hier in Braunschweig. Es ist aber auch oft schwierig, Bankbeschäftigte auf die Straße zu bringen. Bei vielen gehört Streiken einfach nicht zum Selbstverständnis. Noch nicht.Außerdem hatte die spanische Regierung genau einen Tag vor der letzten Verhandlung offiziell erklärt: Jetzt geht es uns richtig schlecht. Das spielte den Arbeitgebern in die Hände. Sofort hieß es, sie wüssten ja nicht, wie es jetzt weitergeht mit dem Euro und den spanischen Wertpapieren und ihren Unternehmen. Also mein Fazit ist klar: Laut jubeln kann ich nicht gerade über den Abschluss, aber er ist in Ordnung. Ohne die Streiks vieler Beschäftigter hätte es schlechter ausgesehen. Wir haben alles rausgeholt, was drin war.
ver.di PUBLIK | Wie haben deine Kolleg/innen reagiert?Platscher | Positiv. Als ich nach den letzten Verhandlungen im völlig überfüllten Zug nach Hause saß, hatte ich schon die ersten SMS auf dem Handy: Das habt Ihr gut gemacht!
ver.di PUBLIK | Was ist am besten gelungen?Platscher | Die Auszubildendenvergütung. Ein Top-Ergebnis! Dabei habe ich gerade Jugendliche bei unseren Aktionen vermisst. Ab 2013 bekommen die Azubis im dritten Lehrjahr 1000 Euro, das ist mehr, als so mancher in anderen Branchen nach der Abschlussprüfung verdient. Die stufenweise Übernahme der fertig ausgebildeten Bankkaufleute im Tarifvertrag ist zwar noch nicht Pflicht für die Arbeitgeber, aber doch der erste Schritt: Möglichst alle werden unbefristet übernommen, und wenn das nicht möglich ist, dann immerhin für ein Jahr. Als letzte Option bleibt die Vermittlung im Unternehmen, im Konzern oder in der Region. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass der Tarifvertrag in den Banken auch umgesetzt wird, da sind Betriebsräte und Auszubildenvertretungen gefordert. Und die Azubis selbst müssen sich über ihre Rechte informieren, um zu wissen, was möglich ist.
ver.di PUBLIK | Die Klausel zum Gesundheitsschutz ist für viele Banker wichtig - was verbirgt sich dahinter?Platscher | Leider haben wir es nicht geschafft, die schon vorhandene "Gemeinsame Erklärung" zum Gesundheitsschutz in den Tarifvertrag aufzunehmen. Aber die Verpflichtung, darüber im Gespräch zu bleiben, bringt uns weiter, denn die Erklärung gibt schon einiges her. Darin heißt es auch, die für die Beschäftigten festgelegten Ziele müssten realistisch bleiben, was die Verkäufe von Produkten angeht. Das ist für uns keine Selbstverständlichkeit; die Ziele sind heute noch viel zu oft utopisch, und viele Kollegen unterschreiben sie trotzdem, aus Angst. Jetzt sind die Arbeitgeber zum regelmäßigen Austausch darüber verpflichtet. Ich denke auch, das Thema ist ihnen endlich bewusst geworden - ebenso wie der Öffentlichkeit und den Kunden, zum Glück.
ver.di PUBLIK | Wie steht es mit dem Beraterschutz?Platscher | Wir konnten ihn verbessern. Der Schutz der Anleger ist sehr wichtig, darf aber nicht auf Kosten der Berater durchgesetzt werden, die sich nach den Vorgaben der Bank und der Vorgesetzten richten müssen. Die tragen dann auch die Verantwortung.
ver.di PUBLIK | Der neue Tarifvertrag gilt zwei Jahre. Zeit zum Ausruhen?Platscher | Nein! Sonst sind wir nach dieser Zeit so überrascht wie jedes Jahr vor Weihnachten und fragen uns: Ist es schon wieder soweit? Statt dessen müssen wir, ver.di und die Betriebsräte, jetzt möglichst vielen Kollegen deutlich machen: Es ist nicht anrüchig, sich für seine Forderungen einzusetzen, zu streiken, wenn es nötig ist, und Mitglied in der Gewerkschaft zu sein. Auch nicht für Bankerinnen und Banker! Beim nächsten Mal brauchen wir frühere Aktionen - und noch größere. Und mehr Mitglieder brauchen wir sowieso.
INTERVIEW: Claudia von Zglinicki
"Es ist nicht anrüchig, sich für seine Forderungen einzusetzen, zu streiken und sogar Mitglied in der Gewerkschaft zu sein. Auch nicht für Banker! Beim nächsten Mal brauchen wir frühere Aktionen - und größere."
Tarifabschluss im Bankgewerbe
Gehalt:2,9 % mehr ab 1. Juli 2012,2,5 % mehr ab 1. Juli 2013,350 Euro pauschal, spätestens im Juli 2012.
Jugend:
- Die Ausbildungs- vergütungen steigen ab 1. Juli 2012 um
50 Euro, ein Jahr später um 45 Euro. Plus Einmalzahlung von 100 Euro.
- Stufenweise Übernahme der Azubis nach dem Abschluss.
Vorruhestand:Bis 20. April 2014 verlängert.
Gesundheitsschutz:Arbeitgeber und ver.di tauschen sich einmal im Jahr über betrieblichen Gesundheitsschutz aus.
Der Tarifvertrag läuft bis 30. April 2014.
"Es ist nicht anrüchig, sich für seine Forderungen einzusetzen, zu streiken und sogar Mitglied in der Gewerkschaft zu sein. Auch nicht für Banker! Beim nächsten Mal brauchen wir frühere Aktionen - und größere."