Ohne sie läuft nicht viel im Metropolis - und sie streiken

VON Michaela Böhm

Einmal Men in Black plus die Maxi-Packung Popcorn mit Softdrink. Macht 22,50 Euro. Das ist für Laura nicht drin. Um sich so einen Kinoabend leisten zu können, müsste Laura fast vier Stunden lang Karten abreißen, Kinosäle putzen, Eis verkaufen. Laura, 22, ist beim Multiplexkino Metropolis in Frankfurt am Main beschäftigt und verdient als Vollzeitkraft nur rund 900 Euro netto. Sie muss sich von ihrem Freund unterstützen lassen. Ihre Kollegin Nina, 21, wohnt noch bei den Eltern. Weil Laura und Nina höhere Löhne wollen, streiken sie.

Es ist der dritte Warnstreik der Metropolis-Beschäftigten. Er ist so laut wie die ersten. Mit Tröten, Hupen und allem, was sonst noch Krach macht, stehen die Streikenden vor dem Eingang, zwischen Restaurants, mitten in der Stadt. Unüberhörbar und unübersehbar.

Hier werden Nettostundenlöhne von weniger als sechs Euro gezahlt? "Unverschämtheit", sagt ein Passant, "dann streike ich auch." Und kehrt um. Heute kein Kino. "Viel Erfolg", wünscht einer. Andere lassen das Metropolis links liegen, steuern andere Kinos an oder drehen angesichts der langen Schlange an den Kassen wieder um.

Zuschläge werden erst nach 1 Uhr 08 gezahlt

Statt sieben Kassen sind nur vier besetzt. Das Metropolis hat auch dieses Mal wieder eine Sicherheitsfirma und eine studentische Leiharbeitsfirma als Streikbrecher angeheuert, und das lässt sich der Kinobetreiber auch was kosten. Die als Streikbrecher eingesetzten Studenten erhalten für ihren Einsatz mehr Geld als die Kinobeschäftigten. Doch ob an der Kasse oder am Einlass, überall fehlt die Routine. Die Leute werden ungeduldig, die Filme starten verspätet.

Filmtheater in Deutschland

Mindestens neun Euro Stundenlohn plus Zuschläge für die Arbeit nach 23 Uhr und endlich einen Haustarifvertrag - das fordert die Belegschaft. Das Metropolis, eines der umsatzstärksten Kinos in Deutschland, ist tariflos. Urlaubs- und Weihnachtsgeld werden nicht gezahlt, Nachtzuschläge erst ab acht Minuten nach eins.

"Aber so lange dauert kein Dienst im Service", sagt Alexandra, 20. Sie studiert Physiotherapie, es ist ihr erster Nebenjob, es ist auch ihr erster Streik. "Klar bin ich ver.di-Mitglied", sagt sie. Der Teilzeitjobberin Nina war ein unbefristeter Vertrag versprochen worden. Doch davon wollte die Geschäftsführung auf einmal nichts mehr wissen. Sie vermutet, das liegt daran, dass sie streikt. Bereut sie es jetzt? "Wirklich nicht. Bei solchen Löhnen?"

Die meisten hier sind studentische Aushilfen und Minijobber, mehr als die Hälfte auch ver.di-Mitglieder. Seit einem Jahr gibt es einen Betriebsrat. Schon die Ankündigung, dass einer gewählt wird, führte dazu, dass die Kinoleitung plötzlich bereit war, Gesetze einzuhalten und den Lohn auch dann zu zahlen, wenn jemand krank ist oder in Urlaub geht. Reibungslos läuft es dennoch nicht. "Wir müssen jedes Recht einfordern", sagt der Betriebsratsvorsitzende André Lohrengel. "Jede Information, jede Schulung für Betriebsratsmitglieder." Das werden sie auch weiterhin tun. Und wieder Krach schlagen.

Das Metropolis in Frankfurt am Main zählt bundesweit zu den größten und umsatzstärksten Kinos und gehört wie die Cinestar-Gruppe zu einer Holding in Australien. Die Gruppe betreibt in Deutschland etwa 70 Kinos, die in fast zwei Dutzend verschiedenen und rechtlich unabhängigen Gesellschaften organisiert sind. Tarifverhandlungen mit der gesamten Gruppe sind laut ver.di gescheitert. Damit ist die größte Multiplex-Kette in Deutschland tariflos. Nun verhandelt ver.di mit den einzelnen Gesellschaften. Haustarifverträge und Verhandlungen gibt es dagegen mit den zweit- und drittgrößten Betreibern Cinemaxx und UCI. Den Bundestarifvertrag für Arbeitnehmer/innen in Filmtheatern, den ver.di mit dem Arbeitgeberverband HDF-Kino ausgehandelt hat, wenden nur rund 200 kleine Kinos an. Früher gehörten auch die Multiplexbetreiber zum HDF.