Hier wird die Financial Times Deutschland noch gedruckt

Von Silke Leuckfeld

Das Jahr endet für viele Beschäftigte in den Medien nicht gut: Die Wirtschaftszeitung Financial Times Deutschland (FTD) wird eingestellt, das Druck- und Verlagshaus der Tageszeitung Frankfurter Rundschau (FR) hat ebenso Insolvenz angemeldet wie die Nachrichtenagentur dapd, und der WAZ-Medienkonzern hat angekündigt, bis 2014 die Kosten um 20 Prozent zu senken. Und das sind nur einige Schlaglichter auf Verlagsentscheidungen der vergangenen Wochen, deren Folgen die Beschäftigten tragen.

Auf der Online-Plattform ebay.de versteigerte die Redaktion der Financial Times Deutschland Erinnerungsstücke aus den vergangenen zwölf Jahren seit Bestehen des Wirtschaftsblatts. Die Aktion sollte mehr sein als eine Resterampe, der Erlös ging an die Organisation "Reporter ohne Grenzen". Da hatte nach Medienberichten zumindest der Verlag Gruner + Jahr (G+J) schon Kasse gemacht: Die Abonnentenkartei wurde an FTD-Konkurrent Handelsblatt verkauft - fünf Tage, nachdem G+J die Einstellung angekündigt hatte.

Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 hat die FTD nie schwarze Zahlen geschrieben. Am 7. Dezember erschien die letzte Ausgabe. G+J will außerdem die Wirtschaftszeitschriften Börse online und Impulse entweder mittels Management-Buy-Out (Verkauf an die Führungskräfte) veräußern oder ebenfalls einstellen. Lediglich die Wirtschaftsmagazine Capital und Business Punk sollen in Berlin fortgeführt werden, Capital mit wesentlich kleinerer Belegschaft. Insgesamt sind 258 Beschäftigte in Hamburg, 42 in Frankfurt/Main und 14 in Außenbüros betroffen. Mit den Betriebsräten will G+J einen Sozialplan verhandeln.

Ein Ruck geht durch die Redaktionen

Am Tropf der Eigentümer hing auch die Frankfurter Rundschau (FR). Damit sollte Schluss sein, das Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main, das die FR herausgibt, stellte am 13. November Insolvenzantrag beim Amtsgericht Frankfurt. Seit vielen Jahren schrieb das Blatt Verluste, im Jahr 2003 wurde es sogar durch eine Bürgschaft des Bundeslandes Hessen gestützt. Dann kaufte sich die SPD-Medienholding ddvg ein, reduzierte die Belegschaft von 1700 auf nur noch 750. Im Jahr 2006 übernahm der Kölner Verlag M. DuMont Schauberg (MDS) 50 Prozent der Anteile plus eine Aktie. Die ddvg hält noch 40 Prozent, der Rest liegt bei der Karl-Gerold-Stiftung. In den vergangenen Jahren wurden die Belegschaften weiter reduziert, heute haben Verlag, Redaktion und Druckerei noch knapp 500 Beschäftigte. Seit 2011 arbeiten rund 15 aus dem Verlag und der Redaktion in Berlin in Redaktionsgemeinschaften beim Berliner Verlag (u. a. Berliner Zeitung), der ebenfalls MDS gehört.

Einer von ihnen, FR-Sportredakteur Andreas Hunzinger, sagt: "Wir hoffen auf einen Investor." Nach dem Insolvenzantrag sei "ein Ruck durch die Belegschaft gegangen", sagte Marcel Bathis, FR-Betriebsratsvorsitzender. Das Ziel sei, die Zeitung und die Arbeitsplätze zu erhalten. Doch ein Retter muss schnell gefunden werden. Insolvenzverwalter Frank Schmitt warnte Ende November gegenüber der Nachrichtenagentur dpa: "Uns geht das Geld aus." Allerspätestens bis Jahresende müsse der Investor feststehen. Bis Ende Januar erhalten die Beschäftigten Insolvenzgeld. ver.di kritisierte MDS und ddvg, sie würden sich "wegducken". Statt mitzuhelfen, den Weg für die Übernahme durch Investoren zu ebnen, zögen es MDS und die SPD-Holding vor, sich juristische Scharmützel mit der Insolvenzverwaltung zu liefern.

In Berlin wurde MDS aktiv und kündigte auch beim Berliner Verlag Ende November einen radikalen Stellenabbau an. Zunächst sollen 40 Beschäftigte beim Boulevardblatt Berliner Kurier und im Verlagsbereich gekündigt werden. Durch die Entflechtung von der redaktionell und produktionstechnisch verbundenen FR sowie in der Gemeinschaftsredaktion und der Redaktion der Berliner Zeitung sollen weitere 46 Kündigungen ausgesprochen werden. Bereits in den Wochen zuvor war die komplette Redaktion der Anzeigenzeitung Berliner Abendblatt entlassen worden. Der Verlag suchte in Anzeigen über seine Tochter MDS Creative 400-Euro-Kräfte, die ihre Arbeit übernehmen sollten. Von rund 50 Beschäftigten des Anzeigenblatts wurden 23 gekündigt.

In eine unsichere Zukunft blicken auch die Beschäftigten der Nachrichtenagentur dapd. Insolvenzgeschäftsführer Wolf von der Fecht hat Ende November 98 von rund 300 Beschäftigten entlassen, um zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Dezember eine schwarze Null zu schreiben und neue Eigentümer zu finden.

"Die Welt" schrieb 56 Jahre rote Zahlen

Sinkende Auflagen, zu geringe Anzeigenerlöse und fehlende Ideen, um auch im Internet Geld zu verdienen, kennzeichnen den deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt. „Es gibt auch die Tendenz, dass Verleger nicht mehr länger die Verantwortung für ihre publizistischen Produkte so übernehmen, wie es dem Wert dieser Produkte entspricht“, sagt Frank Werneke, stellvertretender ver.di-Vorsitzender. Zudem gebe es in breiter aufgestellten Medienhäusern die Tendenz, die publizistischen Produkte als nur einen Portfoliobestandteil unter vielen anzusehen.

Die große Frage sei, "ob die von den Verlegern gewählten Antwortstrategien zu einer Verbesserung der Lage führen, oder nicht vielmehr krisenverschärfend wirken". Die FR sei systematisch kaputtgespart worden. Und die Eigentümer sind heute weniger geduldig als früher: Axel Springer kaufte 1952 die Tageszeitung Die Welt. Erst im Jahr 2008 konnte der Verlag vermelden, dass die Zeitung erstmals schwarze Zahlen schrieb.