Ausgabe 03/2013
Ohne die Beschäftigten nur Luft statt Lufthansa
Bundesweite Warnstreiks führen bei den Tarifverhandlungen mit der Lufthansa zum Erfolg. Jetzt gibt es mehr Lohn und den geforderten Schutz der Arbeitsplätze vor betriebsbedingten Kündigungen
Am Boden geblieben: Auch auf dem Flughafen Berlin-Tegel wurde am 22. April gestreikt
Die Warnstreiks bei der Lufthansa haben ihr Ziel erreicht: 4,7 Prozent mehr Lohn gibt es für die Beschäftigten bei der Lufthansa Systems, der Lufthansa Technik und der Lufthansa Cargo. Die Beschäftigten der Lufthansa AG bekommen drei Prozent. Auszubildende erhalten 5,2 Prozent mehr. Erhöht wird in zwei Stufen jeweils am 1. August 2013 und 2014.
Und so ist alles gekommen - ein Rückblick
Nur zehn Tage vor der Einigung, bei der zweiten Warnstreikwelle, muss die Lufthansa bundesweit fast alle Flüge streichen. In Hamburg, Frankfurt, Norderstedt, München, Nürnberg, Köln, Düsseldorf und Berlin befinden sich fast 9000 Beschäftigte im Warnstreik. Für Passagiere und Unternehmen wird deutlich spürbar: Lufthansa, das sind in erster Linie die Menschen, die dort arbeiten. Ohne sie geht kein Flugzeug in die Luft.
"Geld ist nur eine Sache. Mir geht es darum, Solidarität zu zeigen mit den Kollegen in Norderstedt", sagt Triebwerkmechaniker Patrick Hammer. Zusammen mit 5000 Lufthansa-Beschäftigten steht er am Streiktag am Airport Hamburg. Die Beschäftigten haben Transparente dabei. "Lufthansa: Walk of Shame" steht darauf und "Wir sind Lufthansa".
Die Lufthansa bietet zu diesem Zeitpunkt zwischen 0,4 und 0,6 Prozent, will aber zugleich die Arbeitszeit erhöhen, das Weihnachtsgeld kürzen und den Aufstieg in höhere Lohnstufen aussetzen. Damit hätten die Beschäftigten weniger in der Tasche, denn das deckt nicht einmal die Teuerungsrate. Mit diesem Angebot provoziert die Lufthansa die Warnstreiks. Deshalb klettert ver.di-Verhandlungsführerin Christine Behle in Hamburg die steile Treppe hoch auf das Dach des roten Busses und ruft den Beschäftigten zu: "Es darf weder eine Lohnminderung noch eine Nullrunde geben." Die Arbeitgeber hätten es in der Hand, den Tarifkonflikt zu entschärfen. Die Streikenden applaudieren.
Vor allem aber geht es um den Schutz der Arbeitsplätze. Das macht Christine Behle deutlich. Die Lufthansa habe mit ihrem Sparprogramm "Score" eine gruselige Zukunft vorgezeichnet. An die Lufthansa gerichtete Buhrufe schallen über den Platz. Innerhalb von drei Jahren will die Airline ihren Reingewinn von 524 Millionen auf 2,3 Milliarden Euro steigern. Auf Kosten des Personals, denn das Unternehmen plant Standortschließungen und Verlagerungen ins Ausland. Betroffen sind unter anderem die Standorte Norderstedt mit 400 Beschäftigten, Hamburg mit 700, Köln und Düsseldorf mit je 400, Berlin mit rund 100 und Frankfurt/Main mit mindestens 400 Beschäftigten.
Für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze stehen die Streikenden im kalten Wind vor dem Terminal. Dürten Altenburg, seit 15 Jahren bei der Lufthansa, sagt: "Ich will verhindern, dass die technischen Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden." Nach Christine Behle klettert Marlies Rose aufs Busdach, die Betriebsratsvorsitzende der Lufthansa AG Hamburg. "Wir können uns nicht in Luft auflösen", sagt sie. Mit Druck und Erpressung laufe das Management in die völlig falsche Richtung. Die Streikenden wissen jedenfalls genau, in welche Richtung sie laufen wollen. In eine geschützte Zukunft.
Das Ergebnis vom 1. Mai lässt sie aufatmen. Den Schutz vor betriebsbedingten Entlassungen haben sie geschafft. Er gilt für die Laufzeit des Tarifvertrags von 26 Monaten. Und Beschäftigte, die in neu zu gründende Gesellschaften übergeleitet werden, sind bis 31. Oktober 2020 geschützt. Die Kürzung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes konnte ver.di ebenfalls abwehren.