"Beim Gewerkschaftsbeitrag geht es um sieben bis zehn Euro im Monat, die ich ausgeben muss. Dafür habe ich aber schon viel mehr zurückbekommen: Kontakte, Aktivitäten, Spaß." Alex Demus, Auszubildender

von Helga Ballauf

Immerhin: Ein Minibackofen hat Platz in der 15-Quadratmeter-Bude mit integrierter Küchenzeile. Das Geschenk freut Alex Demus besonders: "Da kann ich Kuchen backen." Weil ihm das von allen Taten im Haushalt am meisten Spaß macht. Und es eine der neuen Erfahrungen ist, die das neue Leben in München für den 22-Jährigen mit sich bringt. Denn bevor er sein Zuhause verließ, wurde er versorgt - von Mutter und Oma.

Mutter schießt zu

Alex kommt aus dem südöstlichen Brandenburg, aus der Gegend um Lauchhammer, "wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen", wie er sagt. In diesem Sommer wird er seine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt München abschließen. Die Mutter, Kinderkrankenschwester mit Ost-Gehalt, hat die Rolle der Zuschuss-Geberin übernommen, damit sich der Sohn das Arbeiten und Lernen im teureren Westen leisten kann.

Beworben hatte sich Alex seinerzeit auch bei der Stadt Dresden. "Aber München war schneller", sagt er. Ob es um den Termin für den Einstellungstest, ums Vorstellungsgespräch oder schließlich die Zusage ging. "Und das, obwohl ich nur ein Brandenburger Abitur habe", sagt er verschmitzt und lächelt. Er kennt seine Bayern inzwischen. "Warum nicht München, habe ich mir da gedacht. Da ist viel los. Und ich habe die Entscheidung nicht bereut."

Alex Demus, schwarze Haare, blauer Ohrring, Brille, kommt gerade vom Dienst. Der Azubi prüft in der Ausländerbehörde der Stadt, ob jemand genug Einkommen hat, um für einen Gast aus einem Nicht-EU-Land eine Verpflichtungserklärung unterschreiben zu können. Sobald er die letzte Prüfung zum Verwaltungsfachangestellten hinter sich hat, bekommt er eine andere Aufgabe. Er wird dann für die Aufenthaltsgenehmigungen von Studierenden zuständig sein. Und wird auskömmlich verdienen.

Bald also muss Mutter nicht mehr zuzahlen. Am teuersten, sagt Alex, war der Start in der großen und fremden Stadt. Allein die Ausgaben, bis er eine Bleibe gefunden und eingerichtet hatte. Und dann die Lebenshaltungskosten: Lebensmittel, Kleidung, Wäsche! "Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich die Läden entdeckte, wo es Sachen günstig gibt." Manchmal wird es ziemlich eng, sagt er, trotz des Zuschusses von daheim und trotz der "Ost-Päckchen". Wieder lacht er ganz verschmitzt. Solche Päckchen bringt die Post immer noch: "Mal ist ein fertiges Schnitzel drin oder auch was ganz Spezielles wie Spreewaldgurken."

Vorschriften schrecken ab

Haben seine Mutter und er je öffentliche Zuschüsse für seinen Weg in den Beruf in Anspruch genommen? Ja, sagt Alex, für das Vorstellungsgespräch bei der Stadt München damals habe die Arbeitsagentur die Fahrtkosten und eine Hotelübernachtung übernommen. Die Vorschriften zur Berufsausbildungsbeihilfe dagegen haben ihn abgeschreckt: viel Offenlegung persönlicher Verhältnisse, viel Papierkram für - in seinem Fall - einen kaum nennenswerten Zuschuss.

Vergleichsweise hat Alex Demus keine so schlechten Bedingungen für den Start ins selbstständige Leben: Die monatliche Azubi-Vergütung liegt - je nach Lehrjahr - zwischen 850 und 940 Euro brutto, München-Zulage eingeschlossen. Das sind immerhin zwischen 670 und 750 Euro netto. Bei einer Ausbildung im Einzelhandel bekäme er rund 200 Euro weniger. Außerdem zahlt Alex für sein kleines Zimmer im noch erschwinglichen Norden der Stadt 330 Euro. "Im Vergleich ist das super", sagt er.

Ähnlich verhält es sich mit den Fahrtkosten: Da Wohnung, Amt und Berufsschule nicht zu weit voneinander entfernt liegen, kommt er mit 48 Euro pro Monat aus. Dennoch: Unterm Strich bleibt so gerade mal ein Tagessatz von zehn bis zwölf Euro übrig, um den Rest seines Lebens zu finanzieren.

Extras auf Zuruf

Das Arrangement mit der Mutter sieht so aus: Sobald Zuschussbedarf entsteht, etwa wenn der Fernseher kaputt ist oder wenn ein Urlaub ansteht, meldet Alex ihn an. Übers Jahr verteilt macht das einiges mehr aus als die 184 Euro Kindergeld, die seine Mutter pro Monat für ihn erhält, sagt Alex. Ist es ihm lästig, regelmäßig um Geld bitten zu müssen? "Nein. Wenn ich sage, ich brauche 200 Euro, um zu einem Festival zu fahren, dann kriege ich die auch." Besser so, als käme beispielsweise das Kindergeld automatisch auf sein Konto: "Dann würde ich das Geld einfach für den Alltag ausgeben und könnte mir wieder keine Extras leisten."

Viele seiner Mit-Azubis wohnen zuhause bei den Eltern; so kommen sie mit der Vergütung klar. Oder - das ist bezeichnend für die Lage in der Stadt: Sie haben einen Nebenjob. Azuro, eine Beratungsstelle für Auszubildende, an der die DGB-Jugend und der Kreisjugendring beteiligt sind, gibt unter anderem Tipps dazu, welche Variante eines Nebenjobs für Azubinen am günstigsten ist.

Mindestausbildungsvergütung - das braucht's

Auf Bundesebene gibt es innerhalb der DGB-Jugend eine erste vorsichtige Diskussion über die Notwendigkeit einer Mindestausbildungsvergütung. Sie soll allen Azubis bereits in der Zeit, in der sie ihren Beruf erlernen, ein selbstständiges Leben ermöglichen. Dabei gilt der Grundsatz, dass Eltern während der Ausbildung ihres Kindes unterhaltspflichtig sind. Das war völlig selbstverständlich in einer Zeit, in der Jugendliche mit 14, 15 oder 16 eine Lehre begannen und erst mit 21 volljährig wurden.

Heute stellt sich die Frage, ob man finanziell immer noch abhängig sein will von der Familie, auf ganz neue Weise. Inzwischen liegt nämlich das Durchschnittsalter derer, die mit einer dualen Ausbildung beginnen, bei 20 Jahren. Der Einstieg erfolgt unter anderem deshalb so spät, weil zunehmend Abiturienten diesen Weg in den Beruf wählen. Wie Alex, der angehende Verwaltungsfachangestellte.

Alex ist auch gewerkschaftlich aktiv. Vor der letzten Tarifrunde für den kommunalen öffentlichen Dienst hatten die bei ver.di organisierten Auszubildenden in München ein Azubi-Ticket für den Nahverkehr gefordert, sagt er. Doch sie konnten ihr Anliegen in der Verhandlungskommission nicht durchsetzen. "So ein Ticket wäre für alle die von uns sehr wichtig, die sich das Wohnen direkt in München nicht leisten können", sagt Alex. Viele ziehen in die Region um die Großstadt herum, wo die Mieten noch erschwinglicher sind, geben dafür aber viel Geld für die S-Bahn aus.

Hat er je überlegt, ob er sich bei knapper Kasse überhaupt einen Gewerkschaftsbeitrag leisten will? "Nein", sagt Alex, "da geht es um sieben bis zehn Euro im Monat, die ich ausgeben muss. Dafür habe ich aber schon viel mehr zurückbekommen: Kontakte, Aktivitäten, Spaß."


Wenn's eigene Geld nicht reicht

Berufsausbildungsbeihilfe (BAB). Wird auf Antrag gewährt, wenn ein Wohnen bei den Eltern während der Ausbildung nicht möglich ist. Die Agentur für Arbeit prüft die Bedürftigkeit. Mehr unter: www.babrechner.arbeitsagentur.de

Mobilitätshilfen. Diverse Unterstützungsleistungen beim Start einer heimatfernen Ausbildung. Infos beim örtlichen Berufsinformationszentrum (BIZ).

Mietzuschuss. Unter Umständen sind Mietbeihilfe oder Wohngeld möglich. Infos bei der örtlichen Wohngeldstelle.

BAföG. Wer eine schulische Ausbildung macht - etwa in einem Gesundheits- oder Erziehungsberuf - kann BAföG erhalten. Alle Bedingungen unter: www.das-neue-bafoeg.de

Kindergeld bekommen Eltern, bis ihr Kind in Ausbildung 25 Jahre alt ist. Eltern sind zur Unterhaltszahlung verpflichtet. Der Anspruch ist einklagbar.

Weitere Tipps und Links: www.azubi-azubine.de