Wenn Fahrer falsch tanken, Zusteller unkorrekt ausliefern oder Nachnahmesendungen nicht richtig kassieren, schlägt das bei der Deutschen Post AG als Schaden zu Buche. Auch für einen DHL-Transporter, der ohne Fahrer losrollt und Schäden anrichtet, ist zu haften oder für ein umgekipptes Zusteller-E-Bike. Immer mehr solcher Fehler passieren durch Arbeitsverdichtung und Zeitdruck. Dafür bittet die Post verstärkt die Beschäftigten zur Kasse. Regressforderungen - 2013 gab es 6900 Fälle im Unternehmen - werden rigoros durchgesetzt.

Allein im letzten halben Jahr hat Holger Minz, der zuständige Betriebsrat, in der Niederlassung Brief Duisburg 394 Unfälle gezählt. Bis zu 8000 Euro Schaden entstanden im Einzelfall, selbst ein Fahrradunfall kann über 3000 Euro Kosten nach sich ziehen. "Inzwischen erkennen wir eine Art Stufenplan, wie mit Beschäftigten umgegangen wird", sagt Minz. Zunächst ein ernstes Gespräch mit dem direkten Vorgesetzen, dann steigere sich das bei Wiederholungen über den Abteilungsleiter Personal bis zum Niederlassungsleiter, dienst- und personalrechtliche Möglichkeiten würden ausgeschöpft. Die Post will die Gesamtunfallschäden um etwa ein Viertel senken, heißt es. Das käme einem zweistelligen Millionenbetrag gleich.

Bloß nichts unterschreiben

Wie Interessenvertreter anderswo unterstützt auch Minz Kolleg/innen, die in Schadensfälle verwickelt sind. Wichtig ist, was sie zu Protokoll geben. Schon mit dem Stoßseufzer ,Ich habe nur eine Sekunde nicht aufgepasst!', könne man sich um Kopf und Kragen reden. Tatsächlich sollte man im Falle eines Falles außer dem Namen nichts angeben, schon gar nichts unterschreiben. Schadenersatz kommt auf Beschäftigte bei der Deutschen Post AG nur zu, wenn sie mit Vorsatz oder "grob fahrlässig" gehandelt haben. So sagen es Schutzregelungen im Manteltarifvertrag. Die Höhe von Regresszahlungen ist auf maximal drei Bruttomonatsentgelte beschränkt; Ausschlussfristen sind geregelt. Ob "grobe Fahrlässigkeit" vorliegt, dazu befragt der Arbeitgeber auch Gutachter. Streitfälle gehen bis vors Arbeitsgericht.

Neue Notfallkarte hilft

Bei einem Paketzusteller stand kürzlich Aussage gegen Aussage. Grobe Fahrlässigkeit stellte der Richter jedoch nicht fest. Mit gewerkschaftlichem Rechtsschutz einigte man sich auf die Zahlung von einigen hundert Euro. "Ausgestanden ist die Sache aber noch nicht", sagt der Betroffene. Denn schon Monate zuvor hatte das Unternehmen begonnen, bei seinen Gehaltszahlungen "Dienstschulden"-Raten einzubehalten, auf die volle Höhe von Blech- und Lackschäden berechnet. Seine Hausbank verweigerte ihm daraufhin einen Kredit, die Post behielt überdies zu viel Geld ein. Beistand erhofft sich der Kollege jetzt auch aus seiner Mitgliedschaft bei der GUV/Fakulta. Die Unterstützungseinrichtung der DGB-Gewerkschaften gewährt Schadenersatzbeihilfen. ver.di berät und gibt Rechtsschutz. Neu entwickelt wurde eine Notfallkarte mit Tipps für den Schadensfall: Bevor Du etwas aufschreibst, frage Deinen Betriebsrat, heißt es dort zum Beispiel. "Fast immer können wir etwas tun", sagt Holger Minz. Schließlich gelte: Niemand muss sich selbst belasten.

www.guv-fakulta.de


Skandalöse Befristungen

"Fair - statt prekär" forderten 600 Betriebsräte Mitte November in Ulm. Seit Monaten wird bundesweit um eine andere Personalpolitik bei der Deutschen Post AG gestritten. Inzwischen sind in den 49 Produktionsniederlassungen rund 24.000 Menschen nur noch befristet angestellt - jeder fünfte Beschäftigte in der Zustellung oder stationären Bearbeitung der Sendungen hat nur noch einen Zweijahres- oder einen anderen kurzfristigen Vertrag. Da aber besonders der Paketmarkt wächst, schließt die Post jeden Monat etwa 1000 derartige Verträge zusätzlich ab. Viele Beschäftigte müssen sich mit "Kettenverträgen" von einer Befristung zur nächsten hangeln. ver.di rät Betroffenen, ihre Arbeitsverträge durch den gewerkschaftlichen Rechtsschutz überprüfen zu lassen. "Die Deutsche Post AG nutzt das Teilzeit- und Befristungsgesetz in skandalöser Weise aus", kritisierte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis. Beschäftigte, die zur Bewältigung der Arbeit benötigt werden, seien dauerhaft anzustellen. Dass es der Post überhaupt möglich ist, mit einer fünfstelligen Zahl befristeter Kolleg/innen zu arbeiten, liege auch an bestehenden Gesetzesregelungen. ver.di sieht hier einen systematischen Missbrauch. Dem müsse der Gesetzgeber einen Riegel vorschieben.