Zehn Jahre ist es her, dass ver.di am 10. Dezember 2004 die Billigpraktiken des Discounters Lidl in einem Schwarz-Buch offengelegt hat. Der Journalist Andreas Hamann und Co-Autorin Gudrun Giese (beide auch publik-Autoren) hatten zahlreiche Beispiele der menschenverachtenden Methoden bei Lidl gesammelt und dokumentiert. Die Veröffentlichung wurde damals bewusst auf den "Tag der Menschenrechte" gelegt. Sie war der Auftakt einer ver.di-Kampagne gegen die Missachtung elementarer Arbeitsrechte bei Lidl, gegen Einschüchterungspraktiken, unbezahltes Arbeiten und Lohndrückerei, gegen den schikanösen Umgang von Vorgesetzten mit Beschäftigten und gegen ein Klima der Angst.

Zwei Jahre später erschien das Lidl-Schwarz-Buch für Europa. Der Titel beider Bücher "Billig auf Kosten der Beschäftigten" zielte auf den Grundsatz des Discounters ab, Personalknappheit zum Prinzip zu erklären, um die Gewinne hochzufahren. Eine Welle der Empörung und Solidarität folgte und rückte die Arbeitsbedingungen bei Lidl ins öffentliche Licht: Testkäufe, versteckte Kameras, Scanvorgaben von 40 Produkten pro Minute, der Gang zur Toilette als Luxusgut, unbezahlte Vor- und Nacharbeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit, willkürliche Einsatzpläne, Planungsunsicherheit und immer wieder die Angst vor erpresserischen Methoden, etwa mit falschen Diebstahlvorwürfen aus dem Unternehmen gedrängt zu werden.

Hoher Arbeitsdruck

Im Rahmen von Recherchen hat Andreas Hamann jüngst erneut einen kritischen Blick auf Lidl geworfen. Er stellt in der Broschüre Orangensaft der Christlichen Initiative Romero fest: "In den vergangenen Jahren hat sich einiges in den Filialen verbessert. Dennoch gibt es nach wie vor Berichte über Kontrollen und überzogene Testkäufe, über hohen Arbeitsdruck, willkürliche Stundeneinteilung und eine äußerst knappe Filialbesetzung." Unbezahlte Mehrarbeit aber ist nach Auskunft von Insidern, so Hamann, stark zurückgegangen, seit es eine elektronische Zeiterfassung gibt.

Das bestätigt auch Agnes Schreieder, heute stellvertretende Leiterin des ver.di-Landesbezirks Hamburg. Sie hat seinerzeit die Lidl-Kampagne entwickelt und gesteuert. "Die Arbeitszeiten werden heute im Unternehmen erfasst. Die erpresserischen Methoden haben aufgehört und der Umgang von Vorgesetzten mit Beschäftigten hat sich gebessert. In den unteren Lohngruppen zahlt Lidl sogar über Tarif. Insgesamt sind die Arbeitsbedingungen nach dem Schwarz-Buch spürbar besser geworden", sagt Schreieder. Und der Umstand, dass sich die Lidl-Arbeitgeber korrigieren ließen, habe sich letztendlich auch auf andere Handelsunternehmen ausgewirkt, die nachziehen mussten.

Ulrike Schramm de Robertis, ehemalige Lidl-Beschäftigte und nun bei ver.di, weiß aus unmittelbarer Erfahrung, was sich verändert hat. "Wer seit vielen Jahren bei Lidl arbeitet, sieht, wie groß der Unterschied ist." Der Umgang sei deutlich besser und die allgegenwärtige Unsicherheit, die Angst vor Kündigungen deutlich geringer geworden.