Ausgabe 06/2017
„Digital heißt nicht automatisch gut“
"Digital heißt nicht automatisch gut"
Barbara Susec
ver.di publik - ver.di hat vor kurzem eine Zukunftswerkstatt zum digitalen Wandel der Arbeit durchgeführt. Worum ging es? Barbara Susec - Rund 80 Betriebs- und Personalräte aus nahezu allen Dienstleistungsbranchen haben ihre Erfahrungen zum Thema Digitalisierung ausgetauscht und künftige Handlungsfelder und Regelungsbedarfe herausgearbeitet. Thema war natürlich auch, wie ver.di sie dabei unterstützen kann, die Digitalisierung im Betrieb zum Wohle der Beschäftigten zu gestalten.
ver.di publik - Und steht die Zukunft schon fest? Susec - Wir können sie gestalten. Schon heute sind die Arbeitsprozesse in Betrieben und Verwaltungen wesentlich komplexer geworden. Die Beschäftigten sind mit neuen Technologien konfrontiert, beispielsweise in Form von Robotern, Datenbrillen und intelligenten Assistenzsystemen. Wir erleben Algorithmen, die Einsatzpläne vorgeben und Prozesse steuern. Die Arbeit der Zukunft hat also schon längst begonnen. Digital heißt jedoch nicht automatisch gute Arbeit. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Digitalisierung zu menschengerechten Arbeitsbedingungen führt. Dazu brauchen wir klare Regeln, die von Betriebs- und Personalräten eingefordert und ausgehandelt werden können.
ver.di publik - Beispielsweise beim Arbeits- und Gesundheitsschutz oder der Qualifizierung? Susec - So ist es. Neue IT-Systeme können die Menschen in bisher nicht gekanntem Ausmaß überwachen und kontrollieren - hier müssen wir den Arbeitnehmerdatenschutz verbessern. Aber es geht zum Beispiel auch um Schutz vor Überlastung. Beschäftigte, die ihr digitales Büro mit nach Hause nehmen, brauchen ein Recht auf Nichterreichbarkeit. Und wir benötigen gute Weiterbildungsmöglichkeiten und die nötige Zeit dafür, damit die Menschen mit der digitalen Entwicklung Schritt halten können.
ver.di publik - Forschungsprojekte sollen zusätzliche Erkenntnisse bringen. Was macht beispielsweise TransWork? Susec - In dem Projekt mit Partnern aus Wissenschaft und Forschung untersuchen wir die Transformation der Arbeit durch Digitalisierung, kurz TransWork genannt. Wir schauen, wie sich Digitalisierung auf Arbeit und Arbeitsprozesse auswirkt. ver.di will herausfinden, wie die Veränderungen so gestaltet werden können, dass die Beschäftigten nicht die Leidtragenden sind, sondern von der Digitalisierung profitieren. Dazu sammeln wir gelungene Beispiele aus der betrieblichen Praxis und sorgen dafür, dass die Forschungsergebnisse zurück in die Betriebe fließen. Unter anderem erstellen wir Handlungsleitfäden oder Weiterbildungsmodule. Wir wollen komplexe Arbeitsprozesse übersichtlicher machen und prüfen, wo wir Regelungen brauchen, sei es auf gesetzlicher Ebene oder auch bei Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen.
ver.di publik - Und wie lassen sich Wissenschaft und Betrieb verzahnen? Susec - Indem beispielsweise die Einführung neuer Technologien am Arbeitsplatz wissenschaftlich begleitet wird. Unter anderem erforschen wir in diesen Projekten, wie sich die Arbeit mit neuen Technologien auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirkt. Im Idealfall können die Erfahrungen der Beschäftigten genutzt werden, um die Arbeitswelt positiv zu gestalten.
ver.di publik - Was können Beschäftigte selbst tun, um sich für das digitale Arbeitsleben in Zukunft zu rüsten?Susec -Digitalisierung bedeutet Veränderung. Daher ist es zentral, sich die nötige Kompetenz im Umgang mit digitalen Arbeitsmitteln anzueignen. Zudem geht es um die Gestaltung der Arbeitsplätze und -prozesse. Hier sind auch alle Beschäftigten aufgefordert und gefragt, ihre eigenen Erfahrungen in die Debatte einzubringen, zum Beispiel über die Betriebs- und Personalräte oder Vertrauensleute.
Interview: Marion Lühring