Bis zum Sommer will der Bundestag eine gesetzliche Regelung zur Patientenverfügung verabschieden. Zu oft kam es in den vergangenen Jahren zum Prozess zwischen Ärzten und Angehörigen

Noch vor Ostern will das Parlament über das brisante Thema Patientenverfügung debattieren. Nach jahrelangen Diskussionen soll der Bundestag festlegen, welche formalen Ansprüche eine Patientenverfügung erfüllen muss, damit sie rechtsverbindlich wird. Festgelegt werden soll aber auch, wer letztlich über die weitere Behandlung eines Patienten entscheiden darf, wenn dieser sich nicht mehr selbst äußern kann, sei es, weil er bewusstlos auf der Intensivstation liegt, in ein Wachkoma gefallen ist oder unter schwerer Demenz leidet.

Vorsorge für den Ernstfall: Die Patientenverfügung FOTO: SCHWARZBACH / ARGUS

Eigentlich ist die Rechtslage seit März 2003 eindeutig. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte damals bestätigt: Patientenverfügungen sind verbindlich. Nach Angaben der Deutschen Hospiz Stiftungen sollen bereits neun Millionen Menschen ein entsprechendes Dokument verfasst haben.

Wenn ein schwerkranker und nicht mehr entscheidungsfähiger Patient den Wunsch niedergeschrieben hat, dass er in dieser - für ihn unerträglichen - Situation nicht weiter medizinisch behandelt werden möchte, müssen die Ärzte die Behandlung und alle lebenserhaltenden Maßnahmen abbrechen. Nach Ansicht des BGH sei es Körperverletzung, wenn Ärzte einen Patienten gegen dessen Willen behandeln.

Trotz dieses höchstrichterlichen Urteils kam es jedoch immer wieder zu Konflikten. Zum Beispiel, wenn nahe Angehörige nicht damit einverstanden waren, dass die lebenserhaltenden medizinischen Apparate abgestellt wurden. Oder es wurde angeführt, die Verfügung sei zu alt und entspreche daher nicht mehr dem aktuellen Wunsch des Patienten. Probleme gab es häufig auch, wenn keine schriftliche Verfügung vorlag und der mutmaßliche Wille des Patienten nicht eindeutig ermittelt werden konnte. Nervenaufreibende und sich über Monate hinziehende Prozesse waren oftmals die Folge.

Wie die gesetzliche Regelung für Patientenverfügungen aussehen wird, ist derzeit noch offen. Es wird auch keinen von den Koalitionsparteien getragenen Gesetzesentwurf geben.

Die Meinungsbildung verläuft quer zu den Fraktionen. Erste Entwürfe liegen bereits vor. Der weitest gehende kommt vom rechtspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Joachim Stünker. Inhaltlich wird der Entwurf auch von der FDP unterstützt. Stünker möchte, dass die Patientenverfügungen ohne Ausnahme verbindlich umgesetzt werden müssen. Ein Vormundschaftsgericht soll nur dann eingeschaltet werden, wenn "zwischen behandelndem Arzt und Betreuer unterschiedliche Auffassungen über den Patientenwillen bestehen". Das heißt, wenn Einigkeit besteht, können ohne Einschalten eines Gerichts lebenserhaltende Maßnahmen abgebrochen werden.

Komplizierte Lage

Ein weiterer Gesetzesentwurf ist vom Vizechef der CDU/CSU-Fraktion Wolfgang Bosbach angekündigt worden. Er möchte im Unterschied zu dem Stünker-Papier die Verbindlichkeit der Patientenverfügung nur bei einer tödlich verlaufenden Erkrankung festschreiben. Ein Behandlungsabbruch bei nicht-entscheidungsfähigen Patienten soll nur dann erlaubt sein, wenn eine Krankheit unumkehrbar zum Tode führt.

Gefahr des Automatismus

Ein dritter Gesetzesentwurf wird vom SPD-Abgeordneten René Röspel vertreten. Das Papier ist während der rot-grünen Regierungszeit entstanden. Es sieht zwar auch vor, dass eine Patientenverfügung verbindlich ist. Geht es jedoch um den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen, sollen Betreuer und Ärzte nicht allein entscheiden können. Grundsätzlich soll ein Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden. Nicht um selbst über die zu treffenden Maßnahmen zu entscheiden, sondern um zu kontrollieren, ob der von Arzt und Betreuer vorgesehene Behandlungsabbruch auch dem Willen des Patienten entspricht.

Für Röspel, der in der vergangenen Legislaturperiode die Enquetekommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" leitete, ist es fraglich, ob sich Menschen überhaupt vorab in eine Situation, in der sie an einer schweren Krankheit leiden, hineinversetzen können. Er möchte verhindern, dass eine unter Umständen lange Zeit zuvor verfasste Patientenverfügung zu einem "Automatismus" führt.

Vorgesehen ist zudem, dass das Abbrechen von lebenserhaltenden Maßnahmen nur bei einer tödlich verlaufenden Erkrankung erlaubt sein soll. Erkrankungen wie Demenz und Wachkoma sollten, so Röspel, "wie von der Enquete-Kommission vorgeschlagen, auch nicht unter die tödlich verlaufenden Erkrankungen fallen".

Vor einen Automatismus warnt auch Röspels Parteikollege Wolfgang Wodarg. Für ihn können die Patientenverfügungen zwar "hilfreich" sein, um den Willen eines Patienten zu ermitteln. Der SPD-Abgeordnete befürchtet aber, dass mit einer per Gesetz festgeschriebenen Verbindlichkeit der Patientenverfügungen die Beteiligten sich nicht mehr der Verantwortung für ihr Handeln stellen müssen. "Arzt und Betreuer können sich dann einfach darauf zurückziehen, dass sie ja nur die Ausführenden des Patienten sind."

Wodarg sieht vielmehr die Notwendigkeit, dass Ärzte und Pflegekräfte besser darauf vorbereit werden, mit derartigen Situationen umzugehen. Alle beteiligten Institutionen ständen in der Pflicht, so Wodarg, "eine entsprechende Fortbildung sicherzustellen".

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Praktische Tipps

Damit die Patientenverfügung auch berücksichtigt wird, sollte sie nicht zu alt - und konkret sein. Es reicht nicht aus, zu schreiben: "Wenn mein Leben unerträglich geworden ist, soll die Therapie eingestellt werden." Experten halten die Einsetzung eines Vertrauten als Gesundheitsbevollmächtigten für wichtiger als die Hinterlegung einer Verfügung. Ansonsten kann es passieren, dass ein Fremder als Betreuer staatlich eingesetzt wird. Eine notarielle Bestätigung der Verfügung und Vollmacht ist nicht nötig.