Ein Arbeitszeugnis ist wichtig für das berufliche Weiterkommen. Doch steht auch genau das darin, was dazu beiträgt? ver.di analysiert und berät

von Helga Kunze

Jana Meyer hat Glück gehabt. Zum 1. April wechselt sie die Arbeitsstelle. Bei ihrem bisherigen Arbeitgeber sah sie keine Chancen mehr, sich beruflich weiter zu entwickeln. Dennoch will sie die Erfahrungen, die sie hier gemacht hat, bestätigt haben. Deswegen hat sie bei ihrem alten Chef ein Arbeitszeugnis beantragt. Als es vorliegt, ist sie sich nicht sicher, ob das, was da steht, auch ihren Fähigkeiten entspricht. Also wählt sie die Telefonnummer 01802/9384647.

Hier meldet sich die ver.di-Arbeitszeugnisberatung. Als ver.di-Mitglied wird Jana kostenlos beraten, abgesehen von den sechs Cent, die sie der Anruf kostet. Hier werden die ersten Fragen beantwortet. Liegt das Zeugnis vor, analysiert es eine der fünf Beraterinnen.

Aline Zieher ist eine der fünf Frauen. Früher, so sagt sie, waren Zeugnisse gespickt mit geheimnisvollen Botschaften. Diese Codes könne man heute in der reichlich angebotenen einschlägigen Fachliteratur oder im Internet nachlesen. Ob ein Zeugnis wirklich angemessen sei, erschließe sich vor allem aus dem Kontext der Tätigkeitsbeschreibungen sowie der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. "Ich verschaffe mir bei einem Telefonat einen ersten Eindruck. Gerade bei Zeugnissen, die sich unschlüssig und widersprüchlich lesen, muss ich wissen, was der Grund ist. Gab es Unstimmigkeiten oder Konflikte, die als späte Rache das Zeugnis durchziehen, oder ist es beispielsweise fehlende Sachkenntnis des Arbeitgebers." Nach der Rechtssprechung besteht ein Anspruch auf ein wohlwollendes, berufsförderndes und qualifiziertes Zeugnis, das der Wahrheit entsprechen muss

Meist macht sie deshalb Änderungsvorschläge zu einzelnen Passagen. Häufig schreibt sie die Zeugnisse neu, indem sie Tätigkeitsbeschreibungen ergänzt, in eine sinnvolle Reihenfolge bringt und mit der Leistungs- und Verhaltensbewertung verbindet. "Zeugnisse sollten passgenau sein, mit der Person und ihren Fähigkeiten, sowie mit der konkreten Aufgabe im jeweiligen Beruf übereinstimmen." Die heute oft übliche Aneinanderreihung von Textbausteinen hält sie für "lieblos". Die Betroffenen empfänden solche Zeugnisse als Abwertung erbrachter Leistungen.

Mit dem neuem Zeugnisvorschlag wenden sich die Beratenen an ihren Arbeitgeber. Aus Rückmeldungen weiß sie, dass häufig im Ergebnis ein angemesseneres Zeugnis steht. In sehr seltenen Fällen wird den Mitgliedern eine Zeugnisberichtigungsklage empfohlen.

"Voraussetzung ist entsprechendes Rechtswissen und Beratungskompetenz, sowie Kenntnisse über Berufsbilder und Branchen" umschreibt Zieher die wichtigsten fachlichen Eigenschaften bei der Zeugnisberatung. Erfahrungen hat sie als Bereichsleiterin für den Mitgliederservice beim ver.di-Landesbezirk Hamburg, der vor allem die Rechtsberatung der Mitglieder umfasst, reichlich.

Rund 200 Anrufe gehen pro Monat bei der ver.di-Arbeitszeugnisberatung ein, sagt Karl-Heinz Brandl. Er ist der Projektmanager. 40 bis 45 Prozent dieser Leute brauchen eine konkrete Beratung. "Wir sind arbeitnehmerorientiert und haben konkrete Branchenkenntnis", zählt er die Vorteile des gewerkschaftlichen Angebots auf. Der Service steht bei der Arbeit der Beraterinnen im Vordergrund. Innerhalb von zwei Werktagen erhalten die Ratsuchenden eine Rückmeldung. Termine, um die Zeugnisse durchzusprechen, werden auch abends angeboten. So kann auch Jana Meyer sicher sein, dass bei ihrem Zeugnis alles mit rechten Dingen zugegangen ist.


Checkliste für ein qualifiziertes Zeugnis

  • Ist das Zeugnis auf einem offiziellen Firmenbogen ausgestellt?
  • Hat das Zeugnis eine Überschrift?
  • Sind persönliche Angaben korrekt?
  • Ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses genau benannt?
  • Ist die berufliche Tätigkeit ausführlich und genau beschrieben?
  • Ist die fachliche und innerbetriebliche Entwicklung in chronologischer Reihenfolge dargestellt?
  • Sind berufliche Fortbildungsmaßnahmen aufgeführt?
  • Wurden die Leistungs- und Führungsqualitäten bewertet?
  • Wurde die Leistung anhand der Kriterien Arbeitsbereitschaft, Arbeitsbefähigung, Arbeitsweise und Arbeitserfolg umfassend beurteilt?
  • Wurde das persönliche Führungsverhalten anhand der Kriterien Verantwortungsbereitschaft, Sozialverhalten, Beachtung von Vorschriften und gegebenenfalls Führungsqualitäten umfassend beurteilt?
  • Wurden berufs- und tätigkeitsspezifische Leistungs- und Führungsmerkmale gewürdigt?
  • Ist das Zeugnis schlüssig formuliert und frei von Widersprüchen?
  • Stimmt die abschließende Beurteilung mit den vorherigen einzelnen Aussagen überein?
  • Hat das Zeugnis eine wohlwollende Schlussformulierung?
  • Ist deutlich, auf wessen Veranlassung das Arbeitsverhältnis beendet worden ist? Wenn ja - ist das so beabsichtigt?
  • Ist das Zeugnis frei von unzulässigen Zeichen, zweideutigen oder nicht erlaubten Formulierungen?
  • Trägt das Zeugnis Datum und Unterschrift?
  • Weitere Checklisten für andere Zeugnisarten: www.verdi-arbeitszeugnisberatung.de, Unterpunkt Checklisten

Hilfe per Telefon

Die ver.di Arbeitszeugnisberatung ist für Mitglieder kostenlos, für Nichtmitglieder kostet sie 70 Euro pro Stunde. Bei Fragen oder einer Beratung zum Thema Arbeitszeugnis bietet die Beratung eine Telefonhotline unter der Rufnummer 01802/9384647 an (6 Cent pro Anruf), montags bis freitags 8 bis 16 Uhr. Außerdem kann die Anfrage per E-Mail info@verdi-arbeitszeugnisberatung.de oder im Onlinebogen unter www.verdi-arbeitszeugnisberatung.de gestellt werden. Innerhalb von zwei Arbeitstagen erfolgt dann eine Rückmeldung telefonisch oder per E-Mail. Erste Informationen und Tipps stehen auch in der Basisinformation Arbeitszeugnisse. Sie kann für 5 Euro auf der genannten Homepage bestellt werden. Außerdem werden auf der Seite auch häufig gestellte Fragen beantwortet, und in einer Datenbank sind aktuelle Urteile zum Thema zu finden.