Sie schließt viele Jugendliche aus und entspricht zu wenig dem Bedarf der Dienstleistungswirtschaft

Seit etwa 200 Jahren gibt es die duale Berufsausbildung in Deutschland - und bis vor kurzem galt sie als vorbildlich. Inzwischen ist sie dringend reformbedürftig, wie eine Studie im Auftrag der Friedrich Ebert Stiftung (FES) belegt. Zum einen schließt das System heute einen erheblichen Teil der Jugendlichen aus: Nur noch 40 Prozent derjenigen, die einen Hauptschulabschluss vorweisen können, ergattern einen Ausbildungsplatz. Wer kein Schulabschlusszeugnis hat, bleibt sogar zu 80 Prozent außen vor. "Die einstige Stärke der dualen Ausbildung, durch die Verbindung von praktischer und theoretischer Berufsausbildung auch bildungsschwächere Jugendliche beruflich zu integrieren, ist in Frage gestellt", schreiben die Autoren.

Viele Jugendliche durchlaufen stattdessen jahrelang Kurse zur Berufsvorbereitung, "die keine curriculare Verknüpfung mit der Berufsbildung aufweist". Solche Maßnahmekarrieren führen in der Regel zu keiner Qualifikation und entlassen viele junge Menschen schließlich als Ungelernte mit geringen Chancen auf den Arbeitsmarkt. 15 Prozent der Menschen zwischen 20 und 29 Jahren sind heute ohne Ausbildung.

Nachfrage wandelt sich

In die Krise gerät das duale Bildungssystem aber noch aus einem anderen Grund: Der Bedarf der Wirtschaft hat sich deutlich gewandelt. Handwerker und Industriefacharbeiter werden in einer Dienstleistungsökonomie immer weniger gebraucht. Zwischen 10 und 40 Prozent - je nach Branche und Region - gingen die Ausbildungsplätze seit 1999 zurück. Auch die Nachfrage nach Kaufleuten hat abgenommen. Wachstum gibt es dagegen bei weniger qualifizierten Berufen im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie im IT-Bereich, den viele Gymnasiasten aber nur als Durchgang zum Studium nutzen.

Durchschnittlich stellen die Unternehmen heute höhere Anforderungen an das theoretische Wissen ihrer Mitarbeiter als vor 20 Jahren. Folglich suchen viele Betriebe ihren Nachwuchs heute unter Hoch- und Fachhochschulabsolventen. Die Appelle von Politikern jeglicher Couleur nach zusätzlichen betrieblichen Ausbildungsplätzen blieb dagegen erfolglos.

Fünf Milliarden Euro gaben Bund, Länder und Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2005 aus, um die Krise auf dem dualen Ausbildungsmarkt zu lindern. Finanziert wurden damit 45000 außerbetriebliche Ausbildungsplätze. Was dagegen nicht ausgeweitet wurde ist das Schulberufssystem, in dem beispielsweise Erzieher eine voll qualifizierende Ausbildung erhalten und das sich als wesentlich weniger konjunkturabhängig erwiesen hat.

Nur die Hälfte der Azubis werden übernommen

Konnten Azubis früher davon ausgehen, dass sie nach der Ausbildung ohne große Probleme auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen konnten, ist die Übernahmequote heute auf etwa 50 Prozent gesunken. In dieser Situation wird die mangelnde Bildungsmobilität als "klassische Schwäche" der dualen Ausbildung besonders deutlich, schreiben die FES-Autoren: "Nur ein geringer Prozentsatz seiner Absolventen schafft den Sprung auf die Hochschule." Eine der Folgen ist eine Jugendarbeitslosenquote, die über dem Bevölkerungsdurchschnitt liegt.

Die Autoren fordern insbesondere von Gewerkschaften, dass sie die Probleme des deutschen Berufsbildungssystems wahrnehmen und danach fragen, "wie weit das Idealbild des dualen Systems noch mit seiner Wirklichkeit übereinstimmt oder wie weit das traditionelle Berufsprinzip noch tragfähig ist". Auf den Prüfstand gehört ihrer Meinung nach die bisherige Organisation und Finanzierungsverantwortung von Ausbildung. Außerdem plädieren sie dafür, flexible Ausbildungsmodule einzuführen, ohne deshalb das Berufsprinzip aufzugeben. Auf diese Weise wollen sie die individuellen Zugangschancen zu höherer Bildung verbessern. Parallel müssten sich aber auch die Hochschulen für berufsrelevantes Wissen öffnen. Annette Jensen

http://library.fes.de/pdf-files/stabsabteilung/04258/index.html