In der größten Finanzkrise seit 1929 steckt ver.di in Tarifverhandlungen für die 250000 Beschäftigten der privaten und öffentlichen Banken

Uwe Foullong ist Mitglied des ver.di-Bundesvorstands und leitet den Fachbereich Finanzdienstleistungen

ver.di PUBLIK | Alle reden von Kunden, deren Geldanlagen durch die Finanzkrise in Gefahr sind. Aber in welcher Situation stecken zurzeit die Menschen, die in Banken und Sparkassen arbeiten?

Uwe Foullong | Sie machen sich größere Sorgen um den Verlust ihrer Arbeitsplätze als je zuvor. Es ist schließlich nicht ausgeschlossen, dass die Finanzkrise Pleiten von Banken zur Folge hat. Durch die vorläufige Rettung der Hypo Real Estate ist die Systemkrise zwar erstmal abgewendet, doch die Sorgen der Mitarbeiter/innen wachsen trotzdem. Wäre die Hypo Real in Konkurs gegangen, hätten wir einen Dominoeffekt erlebt und andere Geldunternehmen wären insolvenzgefährdet - und nicht nur gefährdet. Die Ängste der Beschäftigten sind also sehr ernst zu nehmen. Auch deshalb hält ver.di die Stützungsaktionen der Bundesregierung und der Banken für richtig. Aber das reicht nicht. Es kann nicht sein, dass jetzt Steuergelder in Banken hineingepumpt werden, ohne dass eines Tages Gewinne zurückfließen. Wir erwarten von der Regierung, dass Rückzahlungsklauseln vereinbart werden.

ver.di PUBLIK | Der stetig steigende Druck auf die Bankberater/innen, immer mehr Produkte immer schneller zu verkaufen, hat zur Krise beigetragen. Was bedeutet das für die Arbeitsbedingungen der Banker/innen in Zukunft?

Foullong | Die Banken müssen den Berater/innen endlich wieder den Freiraum lassen, im Interesse der Kunden zu beraten. Die Basis dafür können nur realistische Zielvorgaben sein. In den letzten zwei, drei Jahren haben die Banken ein System entwickelt, das wie bei Drückerkolonnen funktioniert: Hoher Druck zwang die Berater/innen, so viel wie möglich zu verkaufen, egal, ob das Produkt für den Kunden geeignet war. So sind die Angestellten in die Zwickmühle zwischen der Loyalität zum Arbeitgeber und ihrem eigentlichen beruflichen Anspruch geraten. Hintergrund ist der Wille der Banken, 25 Prozent oder noch mehr Rendite zu kriegen. Davon wurden die Ziele abgeleitet und nach unten weitergereicht. Gleichzeitig sind Stellen gestrichen worden. Immer weniger Leute mussten immer höhere Vorgaben erfüllen, nach denen die Arbeitgeber dann Leistungslohn zahlen wollen - oder eben auch nicht. Hier ist die Verbindung zu den Tarifverhandlungen...

ver.di PUBLIK | ...in denen der Leistungslohn ein Knackpunkt ist.

Foullong | Ja. Die Arbeitgeber verlangen, dass wir den Leistungslohn erweitern und künftig bei jedem Angestellten mindestens ein Monatsgehalt pro Jahr gestrichen werden kann, wenn er seine Vorgaben nicht erfüllt. Bei Zielen, die von vornherein völlig unrealistisch sind, sinken die Gehälter dann automatisch. Wir können diesem Modell also nicht zustimmen. Nach wie vor fordern wir außerdem eine deutliche Gehaltserhöhung, die vor allem dafür sorgt, dass die Beschäftigten real mehr Geld bekommen.

ver.di PUBLIK | Nach der ergebnislosen Verhandlung am 16. September gab es einige Streiks. Werden weitere vorbereitet?

Foullong | Da die Bank-Arbeitgeber bisher noch keinen neuen Verhandlungstermin mit uns vereinbart haben, stecken wir jetzt in einem verschärften Tarifkonflikt. Um unsere weitere Vorgehensweise zu beraten, haben wir für den 17. Ok-tober die Tarifkommission des priva- ten und öffentlichen Bankgewerbes eingeladen. Gemeinsam werden wir beschließen, was weiter geschehen soll.

ver.di PUBLIK | ver.di hat den Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz in den Banken von 1983 zum 31. Dezember gekündigt. Warum? Die Beschäftigten brauchen doch jetzt erst recht Schutz vor Entlassungen.

Foullong | Gerade deshalb. Damit wir Tarifsozialpläne an einzelnen Geldinstituten verhandeln können - zum Beispiel bei der Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank. Wir wollen deutlich zeigen, dass wir um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen. Das Rationalisierungsschutzabkommen von 1983 ist veraltet, es sah für die aktuelle Situation von heute, mit anstehenden Fusionen, überhaupt keine Regelungen vor. Und die positiven Punkte aus dem alten Vertrag wirken weiter nach, allerdings nur für ver.di-Mitglieder und solche, die es bis zum 31. Dezember werden: der Anspruch auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz, wenn der alte verloren geht, wenn nötig auch mit einer Qualifizierung. Und keine niedrigere Eingruppierung, wenn der neue Arbeitsplatz doch weniger anspruchsvoll ist als der vorige.

ver.di PUBLIK | Was muss jetzt aus Sicht von ver.di geschehen, um die Finanz-krise zu stoppen?

Foullong | Wir brauchen eine verschärfte, neue Regulierung der Finanzmärkte. Dafür sind verschiedene Maßnahmen notwendig, etwa die Bildung einer unabhängigen, öffentlich-rechtlichen Rating-Agentur, denn die vorhandenen privaten Agenturen haben selbst hochriskante Finanzprodukte mit Gütesiegeln versehen. Wir brauchen eine Börsenumsatzsteuer, die spekulationshemmend wirken würde. Allgemein muss die Finanzaufsicht gestärkt werden. Akteure wie Hedgefonds dürfen nicht länger als Geheimgesellschaften ohne jede Kontrolle arbeiten, auch für sie müssen Regeln gelten. Die Banken- und Finanzaufsicht muss international vernetzt werden. In den letzten zehn Jahren hat sich der Casinokapitalismus entwickelt, und es hieß: Die Politiker können da nichts machen. Das müssen sie endlich kritisch überdenken. Sie haben die Menschen zu einer privaten Altersvorsorge am Aktienmarkt aufgefordert. Auch davor warnen wir!

Interview: Claudia von Zglinicki

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