Vor dem geplanten Bildungsgipfel rangeln Bund und Länder noch

Die Augen zu, die Ohren auf Empfang gestellt: Jetzt hört man auch die leisen Töne

von annette jensen

Wochenlang ist Kanzlerin Angela Merkel durch Schulen und Kitas getourt und hat sich mit Kindern und Jugendlichen werbewirksam fotografieren lassen. Für den 22. Oktober hat sie zu einem Gipfeltreffen nach Dresden eingeladen, wo sie die "Bildungsrepublik Deutschland" ausrufen möchte. Dabei hatte sie bei den Föderalismusverhandlungen vor zwei Jahren klar entschieden: Bildung ist mehr als je zuvor Sache der Länder. Nicht einmal ein Ganztagsschulprogramm, für das Rot-Grün noch vier Milliarden Euro bereitgestellt hat, wäre nach gegenwärtiger Rechtslage möglich.

Dass auf diesem Gebiet etwas geschehen muss, ist unbestreitbar. Die OECD hat Deutschland wiederholt ein deutliches "Mangelhaft" ins Zeugnis geschrieben. Nur 5,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts fließen hierzulande in die Bildung, in den anderen Industrieländern ist es durchschnittlich ein Prozent mehr. Außerdem raubt das dreigliedrige Schulsystem immer mehr Kindern ihre Zukunftschancen: 80000 Jugendliche verlassen jedes Jahr die Schule ohne Abschluss. Zugleich liegt der Anteil derjenigen, die ein Studium aufnehmen, bei nur 37 Prozent - im OECD-Durchschnitt sind es 56 Prozent.

Viele Ministerpräsidenten sind darüber verschnupft, wie die Kanzlerin sich als Macherin auf ihrem Terrain präsentiert. "Wenn der Bund etwas im Bereich der Länder regeln will, braucht man einen Staatsvertrag. Den unterschreibe ich nicht so schnell", sagte Baden-Württembergs Regierungschef Günter Oettinger (CDU). Und auch der Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) verlangt, dass die Bundesregierung sich erst einmal auf ihre eigenen Aufgaben in punkto Bildung konzentriert: "Wo sind die Weiterbildungskonzepte?" Dagegen fordert Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) mehr Geld aus der Bundeskasse - insbesondere bei der Förderung der Kleinsten. Dass der Bund als Gegenleistung für ein stärkeres finanzielles Engagement auch mehr mitreden können will, lehnen die meisten Länderchefs dagegen ab. Dabei belegen Umfragen, dass viele Bürger kein Verständnis dafür haben, dass es in Deutschland 16 verschiedene Schulsysteme gibt und ein Umzug für Familien deshalb mit größten Schwierigkeiten verbunden ist.

Inzwischen kursiert im Vorfeld des Bildungsgipfels ein Bund-Länder- Papier. Darin ist von mehr Ganztagsangeboten und einer verbesserten Sprachförderung von Vorschulkindern die Rede. Außerdem ist ein Sonderprogramm zur Finanzierung zusätzlicher Studienplätze durch den Bund im Gespräch. Darüber hinaus wird über eine bundesweite Bildungsstiftung diskutiert, die Wettbewerbe für Schulen veranstalten und indirekt enormen Einfluss erzielen könnte. Die Kultusminister sind zerstritten, was sie davon halten sollen.

Dass Bildung ein zentrales Thema des nächsten Bundestagswahlkampfs werden wird, ist jetzt schon ausgemacht. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier kündigte an: Wenn die SPD gewinnt, wird es kostenlose Bildung von der Kita bis zur Hochschule geben. Nicht nur die Kanzlerin will also mit dem Bildungsthema punkten.

Mit guter Bildung in die Zukunft

Unter diesem Titel hat der Deutsche Gewerkschaftsbund in zehn Punkten gewerkschaftliche Anforderungen an den geplanten Bildungsgipfel und die daraus resultierenden Debatten formuliert. Bund, Länder und Kommunen sollten sich auf eine neue "Gemeinschaftsaufgabe Bildung" verpflichten, fordert der DGB, und in allen Bildungsbereichen - angefangen bei frühkindlicher Betreuung bis zur Weiterbildungsbeteiligung auf europäischem Niveau - belastbare und verbindliche Vereinbarungen treffen. www.dgb.de