Bei Nacht und Nebel

Bilanzfälschung, Untreue, Betrug – die Firma Media Tenor steht in der Rangliste der eigenen Beschäftigten ganz unten

Das so genannte Zitate-Ranking ist ein gutes Geschäft. Auf Ranglisten wird dargestellt, welche Medien von der Konkurrenz besonders oft erwähnt werden. Sie sind wichtig für Zeitungen, Zeitschriften und Sender, die damit gegenüber ihren Anzeigenkunden die eigene Bedeutung herausstreichen können, aber auch gut für die Firma Media Tenor, die diese Auswertungen erstellt. Weniger gut war Media Tenor für die eigenen Beschäftigten - sie verloren nach der Insolvenz ihre Arbeitsplätze und einige warten noch immer auf ihre ausstehenden Gehälter.

Im Oktober 2007 zog Media Tenor vom nordrhein-westfälischen Bonn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in das benachbarte rheinland-pfälzische Remagen um. Zurück blieben rund 40 Angestellte, darunter der komplette Betriebsrat. Sie kamen morgens zur Arbeit und fanden verwaiste Geschäftsräume vor. Ihr Chef Roland Schatz hatte einfach neue Räume gemietet und war mit der restlichen Mannschaft, ebenfalls rund 40 Beschäftigte, heimlich umgezogen.

Die Zurückgelassenen harrten noch rund 14 Tage in den Räumen aus. Für sie war die Situation bizarr: Rein rechtlich waren sie nicht gekündigt, auf dem Papier hatten sie einen Arbeitsplatz, der de facto aber nicht mehr bestand und auch nicht mehr vom Unternehmen bezahlt wurde. Geholfen wurde ihnen von der Arbeitsagentur Bonn. Die Leiterin der Leistungsabteilung kam persönlich vorbei und beriet sie in den leeren Geschäftsräumen.

Bereits in den Monaten zuvor hatte der Betriebsrat den Arbeitgeber verklagt. "Wir wurden als Betriebsrat behindert, der Arbeitgeber hielt sich auch nicht an Betriebsvereinbarungen", sagt Rolf Schieffer, damals Mitglied des Betriebsrates bei der Media Tenor GmbH. Doch das konnte vor Gericht schon nicht mehr abschließend behandelt werden.

Fälschung und Bankrott

Nach dem Umzug wurde in mehreren Urteilen festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgekündigt war, es sich vielmehr um einen Betriebsübergang handelte. Viel genützt hat den Beschäftigten diese Feststellung nicht. Sie mussten klagen, um ihr Geld zu bekommen; rund 15 ehemalige Angestellte warten noch immer darauf. "Wir versuchen jetzt, über eine internationale Vollstreckung die ausstehenden Gehälter einzutreiben", sagt Rolf Kluge, ver.di-Gewerkschaftssekretär in Bonn.

Auf ihr Geld warten nicht nur die Beschäftigten und der Vermieter. Die Geschäftsräume in Bonn mussten die Angestellten endgültig verlassen, als der Strom abgeschaltet wurde. Auch die Stadtwerke Bonn blieben auf unbezahlten Rechnungen sitzen. Vom Finanzamt Bonn wurde schließlich die Insolvenz beantragt; der Gerichtsvollzieher hatte vergebens versucht, in den leeren Räumen die ausstehende Umsatzsteuer in Höhe von 149208 Euro einzuziehen. Für die Geschäfte von Roland Schatz interessiert sich seit Monaten die Staatsanwaltschaft Bonn. Untreue, Bilanzfälschung, Handlungen, die einen betrügerischen Bankrott herbeiführen, und das Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen lauten die Vorwürfe. "Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen", sagt Oberstaatsanwalt Fred Apostel.

Die Niederlage des Stehaufmännchens

Dabei ist Roland Schatz ein Stehaufmännchen. Im Jahr 2005 war er bereits mit der ähnlich benannten Firma Medien Tenor GmbH in die Insolvenz gegangen. Er gründete daraufhin die Firma Media Tenor Deutschland GmbH in Bonn, die im Januar 2008 in die Insolvenz ging. In Remagen firmierte er unter dem Namen Media Tenor International AG, der Hauptsitz befand sich in der Schweiz. Diese deutsche Zweigstelle ist inzwischen aufgelöst. Ähnlich wie in Bonn wurden auch die Beschäftigten in Lugano vom Umzug ihres Arbeitgebers überrascht. Die Gewerkschaftsmitglieder vertrat die Schweizer Mediengewerkschaft Comedia. "Wir erreichten vor Gericht einen Vergleich, sie erhielten ihre ausstehenden Löhne und umgerechnet rund 3000 Euro Abfindung", sagt Comedia-Gewerkschaftssekretärin Barbara Bassi. Von Lugano zog Roland Schatz mit seinem Unternehmen nach Zürich. In Zürich hat die Comedia ein waches Auge auf die Tätigkeit von Roland Schatz.

Medienecho

Diese Sorgfalt ließen die Medien in den vergangenen Jahren vermissen. Obwohl die Methode, mit der die Ranglisten erstellt werden, unter Wissenschaftlern umstritten ist, druckten und sendeten viele Medien ohne Vorbehalt die Ergebnisse. Bei Spiegel online ist noch heute ein Artikel zum US-Wahlkampf aus dem Jahr 2004 abrufbar. Dort wird verglichen, wie oft die damaligen Präsidentschaftskandidaten George W. Bush und John F. Kerry in den amerikanischen Medien zitiert werden. Einer der beiden Autoren des Artikels ist Roland Schatz. Dass es sich dabei um den Inhaber der Firma Medien Tenor handelt, die die Auswertung erstellt hat, wird mit keinem Wort erwähnt.