Busfahrer des Unternehmens "Sonnenschein" protestieren gegen Niedrigstundenlohn

Sie fahren Busse, transportieren Schulkinder und behinderte Menschen. Das Credo ihres Arbeitgebers "Schulbusse Sonnenschein" im Internet heißt: "Sonnenschein bewegt". Doch das Unternehmen bewegt sich jenseits der Legalität. Die Sonnenscheinfahrer bekommen pro Stunde in ihrem verantwortungsvollen Job 1,92 Euro. Der tarifliche Stundenlohn liegt bei 10,72 Euro. "Ein so krasser Fall von Lohndumping ist mir noch nie begegnet", sagt Werner Linnemann, Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Herford-Minden-Lippe in Nordrhein-Westfalen.

An die Öffentlichkeit waren die skandalösen Arbeitsbedingungen durch den Anruf eines Sonnenscheinfahrers im ver.di-Bezirk gekommen. Sein Arbeitsvertrag sieht vor, dass er für eine bestimmte Zahl Fahrstunden 240 bzw. 250 Euro erhält. Daraus ergibt sich auf dem Papier ein Stundenlohn von 3,71 Euro. Bezahlt wird allerdings erst ab Aufnahme des ersten und nur bis zur Ablieferung des letzten Fahrgastes. Rechnet man die An- und Abfahrten ein, ergibt sich ein Stundenlohn von unter zwei Euro. Gegen diesen Hungerlohn hat ver.di bei der Staatsanwaltschaft in Bielefeld Strafanzeige gestellt.

Kein Einzelfall

Nach der Veröffentlichung dieses Einzelfalls stand das Telefon im ver.di-Bezirk nicht mehr still. Werner Linnemann: "Innerhalb weniger Tage meldeten sich mehr als 50 Kollegen mit ähnlichen Verträgen." Doch auch Busunternehmer reagierten. Es sei unerträglich, dass so niedrige Löhne gezahlt würden und damit der Wettbewerb zwischen den Busunternehmen verzerrt werde. Bei Ausschreibungen hätten Unternehmer, die Tariflohn zahlten, dann keine Chance.

Auftraggeber des Unternehmens Sonnenschein ist die öffentliche Hand, da sich die Firma auf den Transport von Schulkindern und Behinderten spezialisiert hat. In einem Schreiben an den nordrhein-westfälischen Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), fordert ver.di-Landesleiterin Gabriele Schmidt ein schnelles Handeln der Politik. Lohnwucher, sagt sie, dürfe von öffentlichen Institutionen weder geduldet noch billigend in Kauf genommen werden.

Die Sonnenschein-Fahrer sind nicht mehr bereit, sich mit einem Hungerlohn abspeisen zu lassen. Mit Hilfe von ver.di haben 30 Kollegen (Stand bei Redaktionsschluss) eine entsprechende Erklärung, die "Geltendmachung", gegenüber dem Arbeitgeber abgegeben. Rechtlich müssen Löhne mindestens zwei Drittel des ortsüblichen Tariflohns betragen. Dieser Betrag liegt in Westfalen bei einem Stundenlohn von 6,17 Euro. Alle Löhne darunter bezeichnet der Gesetzgeber als sittenwidrig. Werner Linnemann erklärt: "Da die Differenz bis zu drei Jahren rückwirkend eingefordert werden kann, ergeben sich bei einzelnen Kollegen Forderungen von 6000 Euro. In einem Fall sind es sogar 10462 Euro." Und noch etwas wird gefordert: Eine Belegschaftsversammlung soll die Wahl eines Betriebsrats auf den Weg bringen.

Nach Einschätzung des ver.di-Geschäftsführers sind die Vorfälle bei Sonnenschein nur die Spitze des Eisbergs. So meldeten sich Kollegen der Unternehmen "Busverkehr Pader" und "Kaiser Busse" in Westfalen und beklagten ähnlich niedrige Löhne. Für Werner Linnemann ist das ein Beweis dafür, wie notwendig der gesetzliche Mindestlohn ist.

Uwe Reepen