Wem gekündigt wird, der muss schnell handeln. Ausnahmen bestätigen die Regeln, die Helmut Platow, Leiter des ver.di-Bereichs Recht und Rechtspolitik, erklärt

INTERVIEW: PETRA WELZEL

ver.di PUBLIK | Mir ist gekündigt worden. Was kann, was muss ich tun?

HELMUT PLATOW | Ich muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung entscheiden, ob ich dagegen vorgehen oder sie akzeptieren will. Wenn nicht, muss innerhalb der 3-Wochen-Frist die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben worden sein. Wenn es zeitlich eng wird, kann ich das notfalls selbst machen. Ich kann zum Arbeitsgericht gehen, dort arbeiten Menschen, Rechtspfleger/innen, die das dann erledigen. Ich kann danach immer noch in Ruhe die Gewerkschaft oder einen Anwalt beauftragen, der alles weitere übernimmt. Habe ich die Klagefrist versäumt, ist die Kündigungsschutzklage praktisch aussichtslos, auch wenn die Kündigungsgründe schon auf den ersten Blick abwegig sind. Das gilt übrigens auch dann, wenn man - aus welchen Gründen auch immer - bei dem Arbeitgeber nicht weiterarbeiten will und es einem nur um die Abfindung geht. Manchmal wird mit Übergabe der Kündigung vom Arbeitgeber schon eine Abfindung angeboten, über deren Höhe dann verhandelt wird. Wenn man sich allerdings nicht rechtzeitig einigt, muss dennoch die Klage beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Wird die Frist, wie bereits erwähnt, versäumt, wird sich kein Arbeitgeber mehr auf die Abfindung einlassen.

ver.di PUBLIK | Und wenn ich die Fristen nun doch verpasst habe?

PLATOW | Nur in Ausnahmefällen kann ich dann noch etwas tun. Entscheidend ist, ob ich die Fristversäumnis verschuldet habe. Finde ich zum Beispiel die Kündigung nach Rückkehr aus einem vierwöchigen Urlaub vor, kann ich beim Arbeitsgericht beantragen, die Klage nachträglich zuzulassen. Das muss dann schnell, innerhalb von zwei Wochen, geschehen. Ähnliches gilt, wenn ich wegen Krankheit nicht in der Lage war, die Klage einzureichen oder dazu einen anderen zu beauftragen. Wenn ich die Kündigung aber zwei Tage vor dem Urlaub bekomme, muss ich vorher noch alles in Gang setzen, dass die Klage eingereicht wird.

ver.di PUBLIK | Angenommen, meine Kündigungsschutzklage wurde zugelassen, wie geht es dann weiter?

PLATOW | Das Gericht wird dann ziemlich schnell einen so genannten Gütetermin bestimmen. In diesem Termin soll nicht geklärt werden, ob die Kündigung berechtigt war oder nicht. In den meisten Fällen einigt man sich darauf, dass eine Abfindung gezahlt wird und das Arbeitsverhältnis endet. Der Arbeitgeber zahlt natürlich nur dann, wenn das Gericht deutlich macht, dass die Klage nicht ganz aussichtslos ist.

ver.di PUBLIK | Macht es einen Unterschied, ob mir personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt gekündigt wurde?

PLATOW | Natürlich! Die rechtlichen Anforderungen an diese Kündigungsgründe sind sehr unterschiedlich. Wenn ich als Arbeitnehmerin immer zu spät komme oder mich am Eigentum des Arbeitgebers vergriffen habe, kann man die Kündigung kaum noch verhindern und hat auch wenig Chancen auf eine Abfindung. Wenn mir vorgeworfen wird, dass ich meine Arbeit nicht korrekt erledige, geht eine Kündigung nur durch, wenn der Arbeitgeber vorher abgemahnt hat. Bei betriebsbedingten Gründen muss der Arbeitgeber sehr genau nachweisen, dass keine Arbeit mehr da ist, und dass er die "richtige" soziale Auswahl getroffen hat. Eine verhaltensbedingte Kündigung kann auch noch Auswirkungen auf das Arbeitslosengeld haben. Habe ich die Kündigung durch mein Verhalten selbst verschuldet, kann es eine Sperrzeit für die Zahlung des Arbeitslosengeldes geben. Daher lohnt es sich allein aus diesem Grund, gegen eine Kündigung vorzugehen.

ver.di PUBLIK | Gilt für eine Änderungskündigung das Gleiche?

PLATOW | Grundsätzlich ja. Hier geht es jedoch nicht um "alles oder nichts". In der Regel wird angeboten, das Arbeitsverhältnis zu veränderten, schlechteren Bedingungen fortzusetzen. Ich muss mir überlegen, ob ich das akzeptieren will. Ich kann aber auch das Angebot unter Vorbehalt annehmen und innerhalb der bekannten Frist Änderungskündigungsschutzklage einreichen. Vor Gericht wird dann geprüft, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen berechtigt war. Bis zur Klärung dieser Frage arbeite ich dann unter den geänderten Arbeitsbedingungen weiter. Wird aber etwa nach zwei Jahren rechtskräftig festgestellt, dass die Änderungskündigung rechtswidrig war, bekomme ich wieder den alten Job und - sofern es weniger Geld gab - die Differenz nachbezahlt.

ver.di PUBLIK | Was kann letztendlich meine Gewerkschaft für mich tun?

PLATOW | Ganz wichtig ist die Unterstützung bei der Rechtsvertretung. Die Prozessvertretung erfolgt durch ver.di- oder DGB-Rechtssekretäre/innen. Der andere große Vorteil ist, dass ich über die Gewerkschaft und über die gewerkschaftlich organisierten Kolleg/innen im Betrieb häufig die Informationen bekommen kann, die ich benötige, um mich gegen die behaupteten Kündigungsgründe zu wehren und den Prozess erfolgreich zu führen.

Nur jeder Achte klagt

Weder hohe Kosten noch große Konflikte entstehen, wenn Arbeitgeber Arbeitsverhältnisse beenden. Nur 16 Prozent der vom Arbeitgeber Gekündigten erhalten eine Abfindung, lediglich 12 Prozent der Gekündig- ten erheben gegen ihren Arbeitgeber eine Kündigungsschutzklage. Das ist ungefähr jeder achte Arbeitnehmer, dem gekündigt wurde. Zu diesem Ergebnis ist das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut in der Hans-Böckler-Stiftung unlängst in einer repräsentativen Umfrage unter 2500 Personen gekommen.