Von Michaela Ludwig

Trüber Tag - entschlossene Leute. 1000 sind am 1. Dezember in Hamburg auf der Straße

Über die Köpfe der Menschenmenge hinweg, von Hand zu Hand, schaukeln die Kisten nach vorn, zu den Rednern. Es sind 50 Sorgenkisten, beschriftet mit dem umgewandelten Postbank-Slogan: "Unterm Strich - wo bleib ich?"

Sie stehen stellvertretend für die 50 Hamburger Kolleginnen und Kollegen aus der Kreditabteilung, die nach dem Willen des Postbank-Vorstands in die neue Kreditservicegesellschaft übergeleitet werden sollen. Und zwar zu bedeutend schlechteren Konditionen - will der Arbeitgeber durch die Auslagerung doch Arbeitszeitverlängerung, Gehaltskürzungen und weniger Urlaub durchsetzen, was insgesamt bis zu 30 Prozent weniger Geld bedeutet.

Gerade für Kollegen mit Familie ist ein Umzug ins niedersächsische Hameln kaum zumutbar. "Ihnen droht in Hamburg die Arbeitslosigkeit", sagt Artur Rudat, Vorsitzender der Betriebsrätegemeinschaft der Hamburger Postbank und Mitglied der Verhandlungskommission in den Tarifverhandlungen. Bundesweit sind 1500 Mitarbeiter betroffen. Und die Kreditabteilung wäre erst der Anfang, das befürchten hier alle.

Die Stimmung auf der Kundgebung vor dem Hamburger Postbankgebäude ist aufgeheizt, die 1000 Beschäftigten sind fest entschlossen. "Es geht um unsere Existenz", sagen sie. Über die Hälfte unter ihnen sind Beamtinnen und Beamte, die sich in ihrer Frühstückspause mit den streikenden Kollegen solidarisch erklären. "Ein Standort, eine Belegschaft, ein Kampf - so lautet unsere Devise", sagt Artur Rudat.

Vier Tage Warnstreiks an elf Standorten im Land

Bundesweit sind 3500 Angestellte an allen elf Standorten der Postbank und ihrer Tochterfirmen dem Aufruf zum Warnstreik am 1. Dezember gefolgt. Vier Tage dauert der Streik, bis einschließlich Montag. Dann kehren Arbeitgeber, ver.di und Arbeitnehmervertreter/innen zurück an den Verhandlungstisch in Bad Nauheim. Die Beschäftigten wehren sich gegen die Pläne des Postbank-Vorstands, im Rahmen der Integration in die Deutsche Bank Bereiche der Postbank als eigenständige Gesellschaften mit bedeutend schlechteren Arbeitsbedingungen als bisher auszugliedern.

ver.di kämpft gegen diese Pläne und für einen Überleitungstarifvertrag, der die Rechte und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten bei der Fusion absichert. So sollen die bisher bestehenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung weiter gelten. Außerdem fordert die Gewerkschaft Arbeitszeitverkürzungstage, da die Arbeitsbelastung stetig wächst. Überstunden gehören schon lange zur Tagesordnung. Der Krankenstand liege in Hamburg bei bis zu 13 Prozent, berichtet Artur Rudat. "Wir sind bis zur Oberkante Unterlippe überlastet."

Auch die fünfte Verhandlungsrunde am 25. November habe deutlich gezeigt, dass die Arbeitgeber nicht einlenken wollen, sagt der Hamburger Betriebsrat. Er fordert die Postbank auf, "sich endlich zu bewegen. Wir haben das Gefühl, dass der Verhandlungsführer der Postbank von der Deutschen Bank geknebelt wird." Warnstreiks am 3. November und die "aktive Mittagspause" waren erste Signale, wurden jedoch vom Arbeitgeber ignoriert. Den Beschäftigten reicht es jetzt. Sie seien "wild entschlossen", sagt ein Kollege.

"Wir haben hier eine ganz hohe Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen, sich zur Wehr zu setzen und zu streiken", stellt Berthold Bose fest, der zuständige ver.di-Fachbereichsleiter aus Hamburg.

Angriff auf den Flächentarifvertrag

Allein in der Hansestadt werden täglich 120.000 Zahlungsvorgänge abgearbeitet. Ein Großteil davon bleibt am 1. Dezember unerledigt. ver.di rechnet mit Verzögerungen bei Überweisungen. So wird der Streik auch die Deutsche Bank schmerzen, die ihren Zahlungsverkehr über die Postbank abwickelt. Und nicht nur für die Postbank-Beschäftigten, auch für ver.di geht es um viel. Die gesamte Bankenbranche blickt gespannt auf den Machtkampf, denn der Arbeitgeber droht, hier ein Exempel zu statuieren.

"Wenn die Deutsche Bank es schafft, sich in einem Betrieb durchzusetzen, in dem 70 Prozent der Beschäftigten organisiert sind, dann besteht die Gefahr, dass als nächstes der Flächentarifvertrag insgesamt angegriffen wird", erklärt Gerd Tausendfreund, der bei ver.di der Unternehmensbetreuer der Postbank ist.

Das muss verhindert werden. "Mit der ersten Streikwelle setzen wir ein klares Zeichen", ruft Berthold Bose auf der Hamburger Kundgebung. "Nun liegt es am Arbeitgeber, die Verhandlungen mit ver.di so mit Inhalt zu füllen, dass die nächsten Zeichen nicht notwendig werden."