Kerzen in Marmeladengläsern stehen auf der Mauer. An ihrem Fuß lehnen Papptafeln: "Vattenfall will die Löhne drücken, denn in Schweden zählen nur Mücken!" Oder: "Jeder Kunde zählt, jeder Mitarbeiter zahlt!" Auf der Grünfläche vor dem Kundenservice von Vattenfall in Berlin haben sich Ende November zum dritten Mal 150 Beschäftigte mit Fackeln zur abendlichen Mahnwache versammelt. Auf der Straße wälzt sich der Feierabendverkehr entlang. Manche Fahrer hupen solidarisch.

Mahnwache in Hamburg

Auch in Hamburg findet zur gleichen Zeit eine Mahnwache bei Vattenfall statt. Denn der Konzern hat angekündigt, sein Kundenservice stehe zur Disposition. Auf der Internetseite des Konzerns heißt es zwar noch: "Besuchen Sie uns im Vattenfall Center in Berlin und erleben Sie Vattenfall als modernen Energiedienstleister zum Anfassen." Doch damit soll es bald vorbei sein.

Andre Elmi, Betriebsrat in Berlin und ver.di-Vertrauensmann, erläutert, was der Konzern im Besitz des schwedischen Staates vorhat. Es gibt zurzeit zwei Optionen. Der viertgrößte Energieversorger in Deutschland überlegt, seinen gesamten Kundenservice an einen anderen Dienstleister zu verkaufen. "Die zweite Variante ist eine Inhouse-Lösung", sagt Elmi. Doch die hat ihre Tücken: Zum einen sollen die beiden Kundenzentralen in Hamburg und Berlin zu einem einzigen Service zusammengefasst werden - "irgendwo auf der grünen Wiese", vermutet Elmi. Die Kundencenter in den Innenstädten von Hamburg und Berlin würden dann geschlossen.

Gleichzeitig würden die rund 900 Beschäftigten im Service aus dem Konzerntarifvertrag ausgegliedert. Die 38,5-Stunden-Woche soll dann zur 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich werden. Geplant ist, Sonderzulagen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld zu streichen. Zudem drohen den Beschäftigten Herabgruppierungen. "Wir haben errechnet, dass diese Pläne auf etwa 30 Prozent Gehaltseinbußen hinauslaufen", sagt Elmi. Vattenfall sagt, der "Umbau" sei im Hinblick auf die Energiewende notwendig. "Dabei geht es dem Konzern nur darum, seine Gewinnmargen zu erreichen", so Elmi.

"Wir halten zusammen"

"Wir sind entsetzt", sagt ein Kollege angesichts der Konzernpläne. In Gruppen stehen die Serviceleute zusammen, einige wärmen sich an großen Feuerschalen auf. "Die Unsicherheit macht einen völlig krank", sagt eine Kollegin. "Seit die Pläne bekannt wurden, ist der Krankenstand bei uns auf 30 Prozent gestiegen", ergänzt Elmi. Manche Kollegen hätten Panikattacken, Kolleginnen seien weinend zusammengebrochen. Doch er gibt die Hoffnung nicht auf. Immerhin, die Beschäftigten des ganzen Konzerns stehen hinter den Leuten vom Service. "Vattenfall wird weiter spalten", steht auf einem großen Plakat, "doch wir werden zusammenhalten".

Für welche Option der Energiekonzern sich entscheiden wird, war bei Redaktionsschluss noch unklar. Am 5. Dezember sind 2000 Vattenfall-Beschäftigte in Berlin für ihre Arbeitsplätze auf die Straße gegangen. Karin Flothmann