Monatelanger Arbeitskampf und Warnsteiks an den Wicker-Kliniken in Hessen. Es geht um einen Tarifvertrag - und um Geld

Wunschzettel hängen am Weihnachtsbaum - auch die der Wicker-Beschäftigten

Dunkel ist es und kalt. Vor der Hardtwaldklinik im hessischen Bad Zwesten stehen am 28. November um sechs Uhr morgens die ersten Streikposten. Der unangekündigte Warnstreik von der Früh- bis zur Spätschicht trifft den Wicker-Konzern, dem allein in Hessen zwölf Rehabilitationskliniken und Krankenhäuser, ein Kurhotel, zwei Thermen und die älteste deutsche Spielbank gehören. Bestreikt werden diesmal im bereits Monate währenden Arbeitskampf nicht nur die drei Häuser in Bad Zwesten, sondern auch das benachbarte Bad Wildungen, Hauptsitz der Firma, und der noble Kurort Bad Homburg.

Tarifverhandlung schon 2013

Gewerkschaftssekretär Fabian Rehm hat die Gehälter bei Wicker nachgerechnet: "Ich konnte erst gar nicht glauben, dass das stimmt!" Die nichtärztlichen Angestellten bekommen bis zu über 40 Prozent weniger als Kollegen in anderen Kliniken. Die Diskrepanz steigt mit den Berufsjahren und summiert sich auf bis zu 10.000 Euro jährlich. Seit Anfang des Jahres versuchte sich die Firmenleitung in Hinhaltetaktik mit Zuckerbrot und Peitsche, verwies die rund 1500 Beschäftigten auf die angespannte wirtschaftliche Lage, leistete Einmalzahlungen, zahlte Prämien, drohte dann, die Deutsche Rentenversicherung werde die Belegung der Krankenhaus- und Reha-Plätze bei Streiks senken, und schaltete Zeitungsanzeigen gegen den Streik. Schließlich gab es das Angebot von einem halben Prozent Gehaltserhöhung. Tarifverhandlungen werde man 2015 aufnehmen. Oder doch schon 2013. Darauf reagierten die Beschäftigten mit Unverständnis und Zorn.

Auch deshalb ist das Streiklokal überfüllt. Für viele hier sind Streiks eine neue Erfahrung. Die Arzthelferinnen Gabriele Bähr und Liane Brand sind vor knapp einem Jahr in die Gewerkschaft eingetreten. Bähr arbeitet seit 30 Jahren bei Wicker. Sie legt großen Wert darauf, dass sie eigentlich immer gern für ihre Firma gearbeitet hat. Mit "gemischten Gefühlen" sei sie Gewerkschafterin geworden, zu kämpferische Parolen lehnt sie ab. "In unserem Beruf die Arbeit niederzulegen, das fällt nicht leicht."

Liane Brand streikt, "weil das Geld nicht mehr für den Lebensunterhalt reicht". Bisher habe sie die geringere Bezahlung hingenommen, weil Betriebsklima und Unternehmensrichtlinien stimmten. Die Situation, sagt Bähr, habe sich in den letzten Jahren drastisch zugespitzt. Das Problem sei aber "nicht Wicker-spezifisch, da muss auch politisch endlich etwas geschehen". Brand sagt: "Wir sind das Streiken nicht gewöhnt. Aber die Geschäftsleitung auch nicht. Es bedarf der Übung." Die setzt Phantasie frei. Die Stimmung im Saal ist optimistisch und unbekümmert. Man spürt, die Menschen empfinden es als Befreiung, etwas bewirken und erreichen zu wollen - und das auch zu können. Kurzfristig wird eine Kundgebung in Bad Wildungen vor der Verwaltungszentrale des Konzerns beschlossen.

Dicht daneben steht vor dem zur Wicker-Gruppe gehörenden Reha- und Pflegeheim Kaiserhof ein Weihnachtsbaum. Den Weihnachtsmarkt hat die Schwiegertochter des Firmenchefs Werner Wicker eröffnet.

Pinke, Pinke

Gegen Entgelt können Passanten ihre Wünsche an den Baum hängen, der Erlös soll dem Tierheim helfen. Da wünschen sich Menschen Frieden, Gesundheit, einen Ehemann. Auch die Wicker-Mitarbeiter/innen haben Wünsche: "Gerechtigkeit", "Pinke, Pinke", "Dringend mehr Kolleg/innen". Gesungen haben sie auch: "Einmal werden wir noch wach, dann gibt's den Tarifvertrag." ver.di habe bei Wicker rund 500 neue Mitglieder gewonnen, sagt Fabian Rehm. Auch Gabriele Bähr hat ihren Zettel an den Baum gehängt: "Gerechte Bezahlung für alle Berufsgruppen."