Schließlich kam er doch noch vor die Tür des Museums zu den gut 100 Demonstrant/innen, die am 7. Juni in Berlin für die Fortführung der Tarifbindung bei Karstadt protestierten: Nicolas Berggruen, Milliardär und seit der Insolvenz des Warenhauskonzerns 2010 Karstadt-Eigentümer. Aber leider nicht Investor, obwohl er vor drei Jahren angetreten war, das Traditionsunternehmen durch gezielte Finanzspritzen zu stärken.

Substantiell wollte Berggruen sich nicht äußern. Er sei zu einem Treffen in das von seinem Vater Heinz Berggruen gegründete Museum gekommen, um über Kulturelles zu reden. Immerhin sagte er Erika Ritter, der Leiterin des ver.di-Landesfachbereichs Handel in Berlin-Brandenburg, weitere Gespräche mit ver.di zu.

Mitte Mai hatte Karstadt-Vorstand Andrew Jennings angekündigt, aus der Tarifbindung auszusteigen. Gewissermaßen als Dank an die 20.000 Karstadt-Beschäftigten, die in den zurückliegenden Jahren durch Entgeltverzicht und einen Sanierungstarifvertrag mehr als 650 Millionen Euro für die Fort- führung der Warenhäuser aufgebracht haben. ver.di und viele Karstadt-Beschäftigte haben klargestellt, dass sie nicht bereit sind, weitere Einschnitte hinzunehmen.

Managementfehler und ausgebliebene Investitionen

In Hamburg streikten Karstadt-Kolleg/innen Anfang Juni zwei Tage lang - und legten den Betrieb im Bergedorfer Haus gänzlich still, in zwei weiteren zeitweise. "Wir waren uns einig, dass wir aktiv werden müssen", sagt Thies Nowacki, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Wandsbeker Filiale. "Die Kolleg/innen sind stinksauer, weil sie Opfer bringen sollen, während es im Management Fehlsteuerungen gibt und Berggruen keinen Cent ins Unternehmen investiert."

Um Managementfehler und die ausgebliebenen Investitionen ging es auch in einem Gespräch, das Stefanie Nutzenberger, ver.di-Bundesvorstandsmitglied für den Handel, Anfang Juni mit Berggruen geführt hat. "Ich habe deutlich gemacht, dass der Ausstieg aus der Tarifbindung eine gravierende Verschlechterung für die Beschäftigten bedeutet", sagt Nutzenberger. Berggruen habe sich die Erwartungen von ver.di und den Beschäftigten angehört, sei aber inhaltlich kaum darauf eingegangen. Er wolle sich Überblick verschaffen und mit dem Management reden.

Klar ist, dass Karstadt weiter erhebliches Potential hat. Doch statt zu investieren, entzieht Berggruen dem Unternehmen Geld. So kassiert er laut Presseberichten jährlich Lizenzgebühren, die er selbst nur einmal aufbringen musste. Das anfangs eingesetzte Darlehen hat er sich sehr schnell wieder zurückzahlen lassen. So hat er für einen Euro ein nach der Insolvenz schuldenfreies Unternehmen erhalten, für dessen weitere Entwicklung allein die Beschäftigten aufkommen sollen. Auch durch den Abbau von 2000 Stellen senkte das Unternehmen nach Auslaufen des Sanierungstarifvertrags noch einmal die Kosten zu Lasten der Beschäftigten.

Erika Ritter erklärte bei der Demo in Berlin, die Tarifflucht von Karstadt sei eine Kampfansage an alle Beschäftigten im Einzelhandel. "Tarifflucht lassen wir niemandem durchgehen - schon gar nicht einem Milliardär!" ver.di will einen Anerkennungstarifvertrag analog zum Flächentarifvertrag erreichen.

Gudrun Giese

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