von Gudrun Giese

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Eigentlich gelten sie als die "Guten" unter den Geldinstituten, die Genossenschaftsbanken. Doch die Arbeitgeber sind dabei, ihren Ruf bei den rund 170.000 Beschäftigten aufs Spiel zu setzen. Der Grund: Obwohl es in den Banken kaum Mitglieder der arbeitgebernahen Gewerkschaften DBV und DHV gibt, hat der Arbeitgeberverband der Volksbanken und Raiffeisenbanken (AVR) in den letzten Jahren alle Tarifverträge mit ver.di gekündigt, zuletzt am 28. Februar den Manteltarifvertrag, und stattdessen mit DBV/DHV abgeschlossen.

Seitdem wird in vielen Geldinstituten des AVR-Verbundes versucht, Beschäftigten einen neuen Arbeitsvertrag mit den schlechteren Tarifkonditionen unterzujubeln. "Aber niemand muss einen solchen Vertrag unterschreiben", sagt Mark Roach von der Fachgruppe Bankgewerbe in der ver.di-Bundesverwaltung. "ver.di-Mitglieder sollten es unter keinen Umständen tun, denn sie würden durch ihre Unterschrift auf die dauerhafte Nachwirkung unseres Manteltarifvertrags verzichten." Mehr als 5400 Beschäftigte aus den Genossenschaftsbanken wurden zwischen Dezember 2012 und Ende Februar 2013 ver.di-Mitglied, um weiter von der nachwirkenden Geltung des alten Tarifvertrags zu profitieren. Arbeitgeber versuchen jedoch, auch langjährig Beschäftigten einen neuen Arbeitsvertrag aufzudrängen.

So geschehen etwa bei der Vereinigten Volksbank Maingau eG, wie die dortige Betriebsratsvorsitzende Ingeborg Seibert berichtet. "Es gibt aus unserer Sicht nicht den geringsten Grund, bei einer Änderung des Vertrags - sei es, weil sich das Arbeitszeitvolumen ändert, sei es, dass eine neue Position übernommen wird - den gesamten Vertrag neu abzuschließen. Diese Haltung haben wir auch schon vor dem Neuabschluss des Tarifvertrags vertreten." Der Betriebsrat und die Belegschaft der Bank setzten sich so entschieden gegen das Ansinnen des Arbeitgebers zur Wehr, dass eine Vereinbarung geschlossen werden konnte: Danach wird bei allen Vertragsänderungen der Passus aufgenommen, dass für alle bis zum 28. Februar 2013 in ver.di eingetretenen Beschäftigten der Manteltarifvertrag nachwirkt.

Das Treiben der "Guten"

Bei den Verschlechterungen, die der neue Tarifvertrag für alle Neuangestellten und Nicht-ver.di-Mitglieder bringt, geht es um Eingruppierungen und die Anrechnung von Berufsjahren bei den Auszubildenden. Durch ungünstigere Eingruppierungen in der Gehaltstabelle A bedeutet der neue Manteltarifvertrag für Beschäftigte ein Minus von bis zu 500 Euro monatlich.

Und während nach dem alten Vertrag Ausbildungsjahre vom 20. Lebensjahr an als Berufsjahre gerechnet wurden, passiert das nun erst nach Abschluss der Ausbildung. "Im Bankgewerbe sind die Auszubildenden aber überwiegend älter als 20, und so heißt die Neuregelung für sie, dass sie eine geringere Vergütung erhalten und sich wegen der geringeren Sozialbeiträge auch bei der Rente schlechter stehen", sagt Ingeborg Seibert. Dabei geht es den Genossenschaftsbanken wirtschaftlich ausgesprochen gut - 2012 erzielten sie einen Jahresüberschuss von 7,38 Milliarden Euro und konnten ihren Fonds für allgemeine Bankrisiken kräftig aufstocken.

Und die Rechtslage?

Interessant ist die Frage, ob die Flucht aus den ver.di-Tarifverträgen in der vom AVR gewählten Form überhaupt zulässig war. "Wir meinen: Nein", sagt Mark Roach, "und haben deshalb ein Gutachten bei dem Anwalt Achim Thannheiser in Auftrag gegeben. Danach sind Eingruppierungsfragen mitbestimmungspflichtig." Die Arbeitgeber im Genossenschaftsverbund haben jedoch die Betriebsräte nicht einbezogen, als es um die Neuordnung - also Verschlechterung - der Entgeltgruppen ging. "Die Betriebsräte können auf dieser Grundlage bei jeder Neueinstellung Widerspruch gegen die Eingruppierung einlegen", sagt Roach. Im Rechtsgutachten heißt es mit Bezug auf eine Entscheidung des Bundes- arbeitsgerichts: "Eine nicht mitbestimmte Änderung ist unbeachtlich", sie kann also ignoriert werden. "Eine Einstellung mit einer Eingruppierung nach einer nicht mitbestimmten anderen Vergütungsordnung als bisher kann der Betriebsrat entsprechend verweigern."

Noch einen Schritt weiter geht der Betriebsrat der DZ Bank (Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank) in Frankfurt am Main. Hier wie auch in den anderen Standorten deutschlandweit ist die ver.di-Mitgliederzahl seit dem vergangenen Herbst um fast 1000 Mitglieder gestiegen. "Wir sind streikfähig und bereiten systematisch Auseinander- setzungen vor, um wieder einen echten Tarifvertrag zu erkämpfen", sagt Sigmar Kleinert, der langjährige GBR-Vorsitzende.

Zurzeit entstehen Betriebsgruppen, Vertrauensleute werden gesucht und die Tarifkommission wird neu entwickelt. "Wenn der Arbeitgeber bereit ist, können wir jederzeit verhandeln", so Sigmar Kleinert. Nur eines sei vollständig inakzeptabel: den Beschäftigten der Genossenschaftsbanken einen mit der Arbeitnehmerseite ausgehandelten Tarifvertrag zu verweigern.